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Urteil: Videoüberwachung in der Apotheke zulässig?

Urteil: Videoüberwachung in der Apotheke zulässig?

Apotheken sind für Diebe ein durchaus beliebtes Ziel. Dabei haben es diese weniger auf die Kassenbestände als auf Medikamente abgesehen, welche als Drogen missbraucht werden können. Zur Abwehr von Diebstählen setzen eine Reihe von Apothekern auf die Möglichkeit der Videoüberwachung. Allerdings sind an die Zulässigkeit einer Videoüberwachung strenge Anforderungen zu stellen. Nicht jede Überwachung ist rechtlich zulässig. Anschaulich hierzu ist eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichts Saarlouis – Urteil vom 29.1.2016, 1 K 1122/14.

Videoüberwachung von Verkaufsräumen, der Schleuse und des Betäubungsmittelschranks

Im vorliegenden Fall hatte der klagende Betreiber einer Apotheke mit erheblichen Fehlbeständen von Medikamenten zu kämpfen. Diese Fehlbestände summierten sich etwa im Jahr 2011 auf ca. 44.000,– Euro.  Um diesen Fehlbeständen entgegen zu wirken, setzte der Betreiber auf die Möglichkeiten einer Videoüberwachung. Überwacht wurde mit drei Kameras der Verkaufsraum und mit jeweils einer Kamera die Schleuse für die Medikamentenanlieferung sowie der Betäubungsmittelschrank. Der Apotheker erhoffte sich durch die Abschreckungswirkung der Videoüberwachung eine Verringerung der Fehlbestände bzw. erwartete  die Überführung von Tätern.

Den Angestellten der Apotheke war dies mitgeteilt worden und diese hatten ihr Einverständnis in die Videoüberwachung erklärt.

Untersagung der Videoüberwachung durch die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde

Mit der Videoüberwachung nicht einverstanden war jedoch die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde. Nachdem diese auf die Videoüberwachung aufmerksam geworden war, untersagte die Aufsichtsbehörde sowohl die Überwachung des Verkaufsraums als auch des Medikamentenschrankes.

Die Aufsichtsbehörde vertrat die Auffassung, dass die nach § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erforderlichen Voraussetzungen für eine zulässige Videoüberwachung nicht gegeben seien. Begründet wurde dies u.a. damit, dass die Videoüberwachung nicht geeignet sei, eine Verringerung des Medikamtenfehlbestandes zu bewirken. So habe die Videoüberwachung nicht zu einer einzigen Täterüberführung beitragen können.

Weiter seien durch die Überwachung erhebliche Interessen von Betroffenen beeinträchtigt. So würden überwiegende Interessen von Kunden und Beschäftigten tangiert:

„Die Kunden, die durch Vorlage von Rezepten sensible Daten preisgäben, seien ebenso wie die Beschäftigten in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 9 BDSG würden zwar in einer Apotheke zwangsläufig erhoben, aber durch die Videoüberwachung für eigene Zwecke automatisiert verarbeitet.“

Auch die Einwilligung der Beschäftigten ändere nichts an der Rechtswidrigkeit der Videoüberwachung. Angestellte könnten aufgrund der Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis keine „freiwillige“ Einwilligung abgeben.

Videoüberwachung des Betäubungsmittelschranks ist zulässig

Der Betreiber der Apotheke hatte gegen die Entscheidung der Datenschutzaufsichtsbehörde geklagt und das Verwaltungsgericht Saarlouis hat der Klage teilweise stattgegeben.

Das Gericht bestätigte zunächst die Entscheidung der Datenschutzaufsichtsbehörde hinsichtlich der – unzulässigen – Überwachung des Verkaufsraums. Die Überwachung sei bereits deshalb unzulässig, da nicht belegt sei, dass die Videoüberwachung ein geeignetes Mittel ist, um den Fehlbestand zu verringern. Hierzu sei es erforderlich, dass der Betreiber eine konkrete oder abstrakte Gefährdung durch Diebstähle darlegt. Das Verwaltungsgericht Saarlouis hierzu:

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. […] Der Kläger kann nicht aufzeigen, welche Arzneimittel und ob überhaupt und wenn ja welche nicht apothekenpflichtigen Waren abhandengekommen sind. Sein Hinweis auf Entwendungen in der Apotheke, reicht allein nicht aus. […] Die bloße Behauptung oder die allgemeine Vermutung einer Rechtsverletzung […] reicht nicht aus und schließt mithin eine Videoüberwachung zur konkreten Gefahrenvorsorge aus.

Der Kläger hat auch keine abstrakte Gefährdungslage dargelegt. Eine abstrakte Gefährdungslage ist dann objektiv begründbar, wenn eine Situation gegeben ist, welche nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise gefährlich ist. Insoweit können weitläufige oder schwer einsehbare Geschäftsräume für Vermögensdelikte als potentiell gefährdet eingestuft werden . Gleiches gilt für Geschäfte, die in Gegenden hoher Kriminalitätsdichte liegen oder besonders wertvolle Ware verkaufen.

Dafür, dass die Apotheke in einem Gebiet liegt, das bekanntermaßen eine hohe Kriminalitätsdichte aufweist, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch kann auf Grundlage des eingereichten Grundrissplans und den zur Akte gereichten Fotos nicht von einer erschwerten Überschaubarkeit des Verkaufsraums ausgegangen werden.

Die Überwachung des Betäubungsmittelschranks erachtet das Verwaltungsgericht Saarlouis allerdings als zulässig. Im Gegensatz zur Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörde geht das Gericht davon aus, dass die Einwilligung der Angestellten wirksam ist und die Videoüberwachung des Betäubungsschranks daher zulässig. Der Auffassung, dass Einwilligungen im Arbeitsverhältnis generell nicht wirksam seien, da es an der Freiwilligkeit mangelt, erteilte das Gericht eine Absage:

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich „frei entscheiden“, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich die Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte.

Zulässigkeit einer Videoüberwachung – Stets eine schwierige Abschätzung

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, dass vor einer Überwachung von Räumlichkeiten immer eine sorgfältige datenschutzrechtliche Prüfung zur Zulässigkeit erfolgen muss. So ist stets zu überprüfen, ob eine Videoüberwachung im konkreten Fall überhaupt rechtmäßig ist und falls ja, in welchem Umfang eine Überwachung stattfinden darf.

Nach dem BDSG ist eine sog. „Vorab-Kontrolle“ durchzuführen, die – sofern bestellt – der betriebliche Datenschutzbeauftragte vornimmt.

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