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Anti-Terror-Datei immer noch nicht verfassungsgemäß?

Anti-Terror-Datei immer noch nicht verfassungsgemäß?

Der Bundestag hat gestern beschlossen, die umstrittene Anti-Terror-Datei in einigen Punkten zu ändern. Insbesondere sollen Informationen über Kontaktpersonen besser geschützt werden. Der Opposition und Kritikern ist das jedoch nicht genug – Grüne und Linkspartei lehnten die Vorlage ab, Datenschützer kritisieren heftig.

Behörden sammeln Daten en masse

Seit 2007 gibt es die Datei nun schon. Sie ist ein im Online-Verbund nutzbarer Datenbestand und beinhaltet Daten zu gewaltbereiten, terrorverdächtigen Islamisten. Zweck des Ganzen: Schnelleres Handeln, besserer Austausch zwischen den Behörden. In der Datei sollen die Informationen gebündelt werden, damit nicht von der einen Behörde etwas getan wird, was die andere dann wieder aushebelt.

Fast 40 Sicherheitsbehörden sind zugriffs- und eingabeberechtigt, darunter auch der BND und die Landeskriminalämter. Effektivere Terrorbekämpfung ist das Stichwort. Die Informationen, die über bestimmte Personen dort gesammelt werden, sind vielfältig: Religionszugehörigkeit, Waffenbesitz, Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen, und, und, und.

Von der Einhaltung des Trennungsgebotes zwischen Polizei und Geheimdiensten keine Spur.

Kritik nicht nur von Datenschützern

Kritisiert wurde schon von Beginn an – nicht nur vom damaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar –, dass zu viele Informationen aus dem Umfeld der Verdächtigen gesammelt würden. 2006 wurde der Bundesinnenministerkonferenz für den Beschluss zur Einführung der Anti-Terror-Datei sogar der BigBrotherAward verliehen – eine Auszeichnung, die für den Preisträger einen zweifelhaften Ruhm bedeutet: Ausgezeichnet werden nachhaltige Beeinträchtigungen der Privatsphäre.

„Kontaktpersonen“ auch erfasst

Aber nicht nur Verdächtige selbst und die Informationen über sie werden erfasst und zusammengeführt. Nein, auch ihre „Kontaktpersonen“ sind Teil der Anti-Terror-Datei.

Dass dies nicht nur datenschutzrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich problematisch ist, liegt auf der Hand. Alle Personen, die mit dem Verdächtigen in Kontakt stehen, können damit auch zu Verdächtigen werden – und sind für immer stigmatisiert.

Bundesverfassungsgericht: So nicht, liebe „Terrorbekämpfer“!

Mit Urteil vom 24.April 2013 hat das Bundesverfassungsgericht beschlossen: In seiner Grundstruktur ist die Anti-Terror-Datei zwar verfassungsgemäß, aber ihre Ausgestaltung lässt zu wünschen übrig – sprich: einzelne Regelungen sind nicht verfassungsgemäß.

Bis Ende 2014 musste eine Neuregelung gefunden werden. Insbesondere wurde festgestellt, dass gerade die Erfassung der Daten über die Kontaktpersonen mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Übermaßverbot nicht vereinbar sei. Nur Elementardaten über diese Personen sollten erfasst werden.

Bundesregierung beschließt Änderungen

Zukünftig sollen nun Informationen über die Kontaktpersonen nur noch verdeckt zusammen mit den Stamminformationen der Verdächtigen gespeichert werden dürfen. Es sollen auch nur noch wenige Elementardaten gespeichert werden. Auch in anderen Punkten gibt es Änderungen: Das Bundeskriminalamt muss in Zukunft den Bundestag und die Öffentlichkeit über den Datenbestand sowie die Nutzung der Daten informieren.

Und jetzt? Alles verfassungsgemäß?

Ob die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts damit wirklich umgesetzt sind, bleibt aber durchaus fraglich. Denn es wurde zwar an einigen Stellen nachgebessert, aber vielen Kritikern sowie der Opposition reicht das noch lange nicht; der Umfang der Datenkategorien, die über die Kontaktpersonen gespeichert werden, wird zum Beispiel nicht eingegrenzt. Laut heise.de sagte die Linke Ulla Jelpke, die Änderungen seien „dürftige Flickschusterei“. Auch die Bundesdatenschutzbeauftragte ist laut spiegel.de mit den Änderungen nicht zufrieden.

Es bleibt also abzuwarten, ob die Vorgaben doch noch zufriedenstellend umgesetzt werden – oder ob unsere Regierung solche erheblichen Datenschutz- und Verfassungsverstöße nicht nur billigt, sondern sogar weiter selbst beschließt.

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    1. Eine „Bundesinnenministerkonferenz“ gibt es nicht. Sie meinen wahrscheinlich die Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern.

    2. „Alle Personen, die mit dem Verdächtigen in Kontakt stehen, können damit auch zu Verdächtigen werden – und sind für immer stigmatisiert.“

    Genau das ist ja das Ziel! Jeder ist verdächtig! Jeder normale Bürger soll bei Bedarf angreifbar sein. Wir wissen alle, dass jeder mit jedem über mehrere Ecken irgendwie zu tun hat. Wer kann schon garantieren, dass ein Nachbar eines Bekannten des Bruders der Frau des Schwagers keinen Dreck am Stecken hat?

    3. „(…) oder ob unsere Regierung solche erheblichen Datenschutz- und Verfassungsverstöße nicht nur billigt, sondern sogar weiter selbst beschließt.“

    Ach!? Könnte es sein, dass unsere Regierung ihre Hauptaufgabe in organisiertem Verfassungs- und Rechtsbruch sieht?

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