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Aus aktuellem Anlass: Beschlagnahme von Nutzerdaten aus Online-Foren

Aus aktuellem Anlass: Beschlagnahme von Nutzerdaten aus Online-Foren

Wie die Augsburger Allgemeine in eigener Sache berichtet, wurde der Verlag gestern mit einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichtes Augsburg konfrontiert. Verlangt wurde die Herausgabe von Nutzerdaten, genauer gesagt des Klarnamens eines Nutzers des verlagseigenen Online-Forums.

Das Forum (augsburger-allgemeine.de) erlaubt es seinen Nutzern nach einer Registrierung, Berichte zu kommentieren. Hierfür müssen sich die User zwar mit ihren echten Daten registrieren, können ihre Kommentierung aber auf Wunsch unter einem Pseudonym im Forum veröffentlichen.

Was in Augsburg geschah…

Letzten Herbst wurde in Augsburg vehement über die Pläne des Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ullrich diskutiert, gegen die Straßenprostitution in der Stadt vorzugehen. Unter den Kommentaren im Online-Forum zu diesem Thema fanden sich auch solche, die den Ordnungsreferenten Ullrich persönlich scharf angriffen. Ullrich und sein daraufhin hinzugezogener rechtlicher Beistand sahen hierin ehrverletzende Äußerungen und forderten die Redaktion nicht nur zu einer Löschung der betreffenden Kommentarbeiträge auf, sondern auch zur Herausgabe der Nutzerdaten der Kommentare, die unter einem Pseudonym veröffentlicht wurden.

Ersterer Forderung kam die Redaktion nach. Eine Offenlegung des Klarnamens lehnte die Redaktion jedoch unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit und den Schutz der Daten der Nutzer ab. In der Folge erstattete Ullrich Strafanzeige und erwirkte einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss, der die Redaktion zu einer Herausgabe verpflichten sollte.

Wie zwischenzeitlich berichtet wurde, kam es dann aber doch zu keiner Durchsuchung, weil die Redaktion die Daten freiwillig herausgegeben hat. Seitens Ullrich soll es das Entgegenkommen gegeben haben, dass er die Strafanzeige zurückziehe, wenn sich der User bei ihm entschuldigt.

Bundesweite Diskussion

Nicht nur unter Datenschützern löste dieser Vorfall eine bundesweite Debatte aus. Diskutiert werden die Geschehnisse vor allem vor dem Hintergrund der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit, die auch in der Strafprozessordnung ihren Niederschlag gefunden hat. In den §§ 53 Abs. 1 Nr. 5, 97 Abs. 5 StPO hat der Gesetzgeber den Ausgleich zwischen dem Strafverfolgungsinteresse einerseits und der Pressefreiheit andererseits so geregelt, dass er ein besonderes Zeugnisverweigerungsrecht und Grenzen der Beschlagnahmebefugnis im Bereich der Presse vorgesehen hat.

Und in diesen Regelungen liegt genau das Problem: Beträge, auch „anonyme“, also unter einem Pseudonym eingereichte, sind zwar grundsätzlich nach § 53 Abs. 1 S. 2 und S. 3 StPO von der Pressefreiheit gedeckt und unterliegen damit der Beschlagnahmefreiheit, zumindest soweit es sich hierbei um solche „für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste“ handelt (vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 08.10.1996, Az. 1 BvR 1183/90).

Diese Regelung passt jedoch nicht so recht auf Internet-Foren, in denen eine Veröffentlichung von Beträgen mit geringstem Aufwand und innerhalb kürzester Zeit möglich ist. Kritiker sprechen vor diesem Hintergrund auch von einem „rechtsfreien Raum, in dem es unter dem Schutz der Anonymität möglich ist, Rechtsverstöße zu begehen“. Und dies nicht ganz zu unrecht: Auch wenn die Meinungs- und Pressefreiheit zu den höchsten Werten des Grundgesetzes zählen, sollten doch auch die Gefahren nicht verkannt werden, die das Internet mit sich bringt – nämlich die von schnellen, mitunter auch unbedachten und vor allem kaum kontrollierbaren Veröffentlichungen. Wie nicht zuletzt auch „der Fall Bettina Wulff“ gezeigt hat, wird diese Problematik daher auch künftig für viel Diskussionsstoff sorgen.

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  • Jaja Herr Doktor.
    Jeder hat das Recht ein Meinung zu haben, aber äußern soll man sie bitteschön nur dort, wo sie nicht wehtut. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder aus dem gemeinen Urnenpöbel plötzlich ungeniert unter Pseudonym seine Kritik an der Obrigkeit äußern dürfte.

    Auf offener Straße und auf Marktplätzen kennen wir das doch anders. Dort trägt jeder Bürger ein Namensschild auf der Brust und auf der Stirn. Jeder, der etwas äußern will, muss vorher einen Antrag bei der Meinungspolizei stellen. Wer zu kritische Gedanken aussprechen will, wird zensiert und strafrechtlich verfolgt. Das ist in unserer lupenreinen „Demokratie“ schon immer so gewesen. Warum sollten im Internet plötzlich andere Regeln gelten?
    *Ironiedetektor aus*

    Vielleicht sind Sie so freundlich und erklären dem unbedarften Leser, wo das Internet anonym sein soll? Technisch ist das Internet nicht anonym. Alles hinterlässt Datenspuren. Ein rechtsfreier Raum ist das Internet auch nicht. Die Aufklärungsrate von Straftaten ist im Internet deutlich höher als abseits des Internets, gerade wegen der Vielzahl anfallender Datenspuren.

    Also hören Sie auf, diese Märchen des anonymen und rechtsfreien Raumes namens Internet zu wiederholen. Es ist schlicht falsch.

    Das Internet ist vor allem eine Gefahr für die Regierenden und Mächtigen. Wenn einem CSU-Lokalpolitiker kritische Meinungsäußerungen von unbequemen Bürgern nicht gefallen, lässt er Polizisten, Richter und Anwälte auffahren.
    Aber wenn der einfache Bürger mal ein Problem mit wirklichen rufschädigenden Verleumdungen und Falschverdächtigungen hat, dann machen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht gar nichts.

    Zweierlei Maß. Realexistierender „Rechtsstaat“.

  • @Arno Tarn:
    Vielen Dank für Deinen Beitrag und Deine Hinweise.

    Natürlich geht es nicht um eine gewollte Zensur des Internets oder darum, die Meinungsfreiheit im Internet zu beschränken. Die Meinungsfreiheit findet im Internet, genauso wie auch bei sonstigen Veröffentlichungen oder Aussagen „von Angesicht zu Angesicht“ grundsätzlich dann ihre Grenze, wenn hierdurch Strafgesetze verletzt werden – wie sich dies z.B. im Zusammenhang mit der Website kreuz.net gezeigt hat.

    Bei Verleumdungen, Falschverdächtigungen oder beleidigenden Aussagen steht also jedem das Recht zu, sich unter Hinzuziehung staatlicher Hilfe hiergegen zu wehren. Kritische oder einfach nur „unbequeme“ Meinungsäußerungen an sich sind zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung unerlässlich. Das bedeutet, dass hier auch keine staatliche Handhabe besteht und bestehen darf, diese zu unterbinden. Wo hier genau die Grenze zu ziehen ist, ist immer eine Frage der Güterabwägung zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. der Ehre des Betroffenen.

    Selbstverständlich wissen auch wir, dass das Internet technisch gesehen alles andere als anonym ist. Es ging nur darum, auf die Gefahr hinzuweisen, dass hier „unter dem Deckmantel eines Pseudonyms“ (also so, dass für andere Internetnutzer nicht erkennbar ist, wer hinter dieser Aussage steht) leichtfertig Äußerungen verbreitet werden, die eben nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Aufgrund des extrem hohen Verbreitungsgrades ist die Beeinträchtigung für Betroffene hier im Vergleich zu anderen Äußerungsformen wesentlich höher.

  • Dies ist eine sehr interessante Diskussion! Aber die Meinungen dazu gehen weit auseinander. So habe ich gerade eine Auseinandersetzung zu dem Thema, die auf einen Rechtsstreit hinauszulaufen droht. Da es sehr gut zu dem hier genannten Thema passt, möchte ich das Beispiel zitieren:

    Zahlreiche Forenbetreiber sind der Meinung, dass in Internetforen „Hausrecht“ gälte und das Recht auf Meinungsfreiheit nicht existent wäre. Allein die Tatsache, dass man sich bei einem Forum mit seiner E-Mail-Adresse anmelden müsse und der Betreiber das Recht hätte, jeden User von der aktiven Teilnahme an seinem Forum auszuschließen, rechtfertige diese Annahme. So dürfe jeder Administrator Beiträge löschen, bei denen er der Meinung sei, dass sie z.B. vom Thema eines Threads abweichen. Ein Recht auf freie Meinungsäußerung gäbe es daher nicht. Diese Auffassung wird übrigens durch eine Unzahl von Internetbeiträgen – auch von Juristen – gestützt. Eine klare, rechtliche Linie gibt es hier nicht!

    Ich habe z.B. kürzlich die unkommentierte, pauschale Löschung einer zweistelligen Zahl von Beiträgen in einem Forum kritisiert. Meine Kritik und die Bitte um Erklärung wurde daraufhin ebenfalls sofort gelöscht und ich erhielt eine persönliche Antwort auf meine öffentliche Frage vom Forenbetreiber, in der als Begründung gesagt wurde, die Beiträge seien „am Thema vorbei“ gewesen und dies begründe die Löschung.

    Daraufhin habe ich in einem anderen Forum diesen Sachverhalt beschrieben und die Frage nach der Bedeutung der Meinungsfreiheit gestellt. Außerdem habe ich die an mich persönlich gerichtete Antwort des Forenbetreibers mit der oben genannten Rechtsauffassung („OffTopic“) dort veröffentlicht, da diese in dem Zusammenhang ja wichtig war. Prompt bekam ich eine Nachricht, dass ich sein im Original-Wortlaut veröffentliches Statement umgehend zu löschen hätte, da er sonst einen Anwalt einschalten würde (die Worte waren erheblich drastischer, ich möchte sie hier nicht zitieren). Sein Persönlichkeitsrecht würde durch die Veröffentlichung verletzt und da er unrechtmäßigerweise von mir als „Zensor“ dargestellt würde, stünde ihm sogar Schadenersatz zu. Natürlich enthielt die von mir getätigte Veröffentlichung keine persönlichen Informationen über die Person, sondern nur sachbezogene.

    Das Unangenehme ist nun, dass es zahlreiche, sehr unterschiedliche Urteile zum Thema Persönlichkeitsrecht in Internetforen gibt. Einige gehen davon aus, dass es schon rechtswidrig sei, einen wahren(!) Sachverhalt darzustellen, wenn dadurch z.B. das Ansehen eines Unternehmens geschädigt würde und so ein wirtschaftlicher Schaden entstünde. Selbst dann, wenn das Unternehmen diesen Schaden durch sein Verhalten indirekt selbst herbeigeführt habe. Es handele sich um eine Güterabwägung zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht. Inzwischen wird das Persönlichkeitsrecht in vielen Fällen über das Recht auf Meinungsfreiheit gestellt. Selbst dann, wenn lediglich wahre Sachverhalte berichtet werden, die allerdings zum Nachteil des Betroffenen ausgelegt werden können.

    Das heißt, auch bei „unbequemen“ Meinungsaußerungen, die der Wahrheit entsprechen, gibt es mittlerweile sehr wohl eine rechtliche Handhabe, wenn hierdurch z.B. wirtschaftliche Interessen verletzt werden. Jeder muss sich also genau überlegen, was er sagt und ob er damit z.B. die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens beeinträchtigt. Das kann dann nämlich erheblich nach hinten losgehen. Insbesondere dann, wenn man weitgehend mittellos ist und sich auf einen teuren Rechtsstreit gar nicht einlassen kann. Dann zieht man eigentlich immer den Kürzeren. Der Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit sind nur eine schöne Theorie, die dem zusteht, der die Möglichkeiten dazu hat, sie in Anspruch zu nehmen. Alle anderen sollten sich stets genau überlegen, was sie in der Öffentlichkeit sagen.

    Immerhin hat das Internet dazu beigetragen, deutlich zu machen, wie es in den einzelnen Staaten wirklich um die Meinungsfreiheit steht und wo diese sehr schnell ihre Grenzen findet.

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