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Beschluss zur Reichweite der DSGVO im journalistischen Bereich

Beschluss zur Reichweite der DSGVO im journalistischen Bereich

Ob bei Veröffentlichung von Foto-Aufnahmen das Kunsturhebergesetz (KUG) durch die DSGVO verdrängt wird, ist umstritten. Nun haben sich erstmals OLG-Richter zu dieser Frage geäußert. Wir fassen die Bedeutung der Entscheidung für den journalistischen Bereich zusammen.

Paparazzi ante Portas

Die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer heutigen Medienlandschaft und befriedigt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung. Auf der anderen Seite wollen die Abgebildeten oftmals einfach nur ihre Ruhe haben. Nachdem zwei Fotografen versucht hatten, Bilder des toten Reichskanzlers Otto von Bismarck zu veröffentlichen, nachdem sie sich vorher widerrechtlich Zutritt zu dessen Sterbezimmer verschafft hatten, erkannte der Staat Handlungsbedarf und verabschiedete im Jahr 1907 das KUG. Im ewigen Konflikt zwischen den allgemeinen Persönlichkeitsrechten der Abgebildeten, die auch durch das Datenschutzrecht geschützt werden, dem allgemeinen Informationsinteresse und der Meinungs- und Medienfreiheit hatten seither die §§ 22, 23 KUG das letzte Wort – bis die DSGVO in Anwendung kam. Seitdem kam immer wieder die Frage auf, ob hiermit nun Schluss ist. Nach dem Beschluss des OLG Köln dürfte jedoch klar sein: Zumindest im journalistischen Bereich bleibt alles beim Alten.

Alte Rechtslage

Vor der DSGVO hatten die Gerichte das KUG als bereichsspezifische, spezialgesetzliche Regelung angesehen, die gem. § 1 Abs.3 BDSG-alt gegenüber den allgemeineren Regelungen des BDSG-alt Vorrang hatten.

Zivilgerichte wendeten bei Veröffentlichungen von Bildnissen durch Unternehmen und Privatpersonen das KUG an, ohne das Verhältnis zwischen KUG und BDSG gesondert zu erörtern. Im Rahmen der Veröffentlichung von Personenbildnissen im journalistischen Kontext kam der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs.3 BDSG-alt aufgrund des Medienprivilegs keine Bedeutung zu, da das Medienprivileg gem. § 41 BDSG-alt eine Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes von vornherein ausschloss.

Neue Rechtslage, neue Fragen

Als unmittelbar geltende Verordnung genießt die DSGVO bei automatisierter Verarbeitung personenbezogener Daten einen sog. Anwendungsvorrang des Unionsrechts, wonach das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten hat. Da es sich bei der Veröffentlichung von Bildnissen regelmäßig um eine Verarbeitung personenbezogener Daten handelt, ist umstritten, inwieweit hier das niedrigrangigere KUG neben der DSGVO noch zur Anwendung kommen kann.

Kommt die Haushaltsausnahme für Privataufnahmen gem. Art. 2 Abs.2 lit. c DSGVO nicht in Betracht, bleibt aufgrund des Anwendungsvorrangs ein Rückgriff auf das KUG nur möglich, sofern eine Öffnungsklausel dem nationalen Gesetzgeber eigenständige Regelungsspielräume erlaubt, welche dann wieder als speziellere Regelungen die DSGVO verdrängen könnten. Ob die DSGVO eine Öffnungsklausel für die Heranziehung des KUG bereithält, ist jedoch umstritten.

Öffnungsklausel Art. 85 DSGVO

Das OLG Köln hat nunmehr eine Entscheidung des LG Köln bestätigt. Hiernach erlaubt Art. 85 Abs. 2 DSGVO nationale Gesetze mit Abweichungen von der DSGVO zugunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken.

Beim KUG liegt eine solche „Abweichung“ zu den strengen DSGVO-Vorgaben in mehrerlei Hinsicht vor: Zum einen sind einige Tatbestände aufgeführt, die auf ein Einwilligungserfordernis gänzlich verzichten (§ 23 KUG). Des Weiteren sind Einwilligungen auf Grundlage des KUG grundsätzlich unwiderruflich, soweit nicht ein wichtiger Grund für einen Rückruf gem. § 42 UrhG analog besteht.

Das Gericht führte aus, dass

  • ein Rückgriff auf die datenschutzrechtlichen Regelungen, auf die sich der Betroffene im Verfahren berief (diese werden im Beschluss leider nicht deutlich), aufgrund des nunmehr in §§ 9c und 57 des neuen Rundfunkstaatsvertrages geregelten Medienprivilegs, ausscheidet.
  • Art. 85 Abs. 2 DSGVO im Kern keine materiell-rechtlichen Vorgaben macht, sondern eine praktische Konkordanz zwischen Datenschutz einerseits und Äußerungs- und Kommunikationsfreiheit herstellen soll.
  • Art. 85 DSGVO gerade den Normzweck hat, einen sonst zu befürchtenden Verstoß der DSGVO gegen die Meinungs- und Medienfreiheit zu vermeiden.

Ausgleich zw. Datenschutz und Meinungs- und Medienfreiheit

Sätze wie…

„Die umfangreichen Abwägungsmöglichkeiten im Rahmen des KUG erlauben dann auch — was künftig geboten sein dürfte — eine Berücksichtigung auch der unionsrechtlichen Grundrechtspositionen.“

…bringen zum Ausdruck, dass es bei der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs.2 DSGVO darum geht, Datenschutz und Meinungs-/Medienfreiheit in „praktische Konkordanz“ zu bringen, daher beiden Gütern Grenzen zu setzen, damit beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen können. Die Kölner OLG-Richter trauen den bewährten Regelungen aus §§ 22, 23 KUG, die von mittlerweile jahrzehntelanger gefestigter Rechtsprechung flankiert werden, diese ausgleichende Funktion zu. Warum also alles über Bord werfen? Mit der DSGVO ist das KUG zumindest nicht vom Tisch und dürfte auch in Zukunft den Stoff bilden, aus dem viele presserechtliche Urteile gestrickt sein werden.

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  • Einen kleinen Silberstreif am Horizont für Fotografen, zeigen nun Urteile von Kölner Gerichten auf. Die bisherige Regelung nach dem KUG könnte doch weiterhin Anwendung finden. Was Jahrzehnte gut funktioniert habe, sollte man nicht gänzlich über Bord werfen. Also sind die Chancen auch für Freelenser wieder besser. Lest die Entscheidung des OLG Köln bitte selbst und teilt diesen Bericht an Betroffene weiter, Danke! Wer weiterhin auf dem Laufenden sein möchte, nutzt die ..Info.de …

    Mein Beitrag zu dieser Info auf meiner Facebook-Seite. Recht herzlichen Dank für Ihre stets aktuellen Beiträge und die Mühe, die Sie sich für uns machen, riesen Kompliment!
    Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg, mit freundlichen Grüßen

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