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BKA-Chef Ziercke: Datenschutz hemmt Polizeiarbeit

BKA-Chef Ziercke: Datenschutz hemmt Polizeiarbeit

BKA-Chef Jörg Ziercke sieht die Polizeiarbeit durch den Datenschutz gehemmt. Zum Ende seiner Amtszeit spricht sich der 67-jährige, der seit 2004 an der Spitze der Sicherheitsbehörden steht, noch mal für eine neue Debatte über Polizeiarbeit und Datenschutz aus.

Kann Datenschutz mit Polizeiarbeit vereint werden?

„Das Strafrecht wird an seine funktionalen Grenzen geführt“

kritisierte Ziercke in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

„Durch die Debatte über Bürgerrechte und Datenschutz spüren wir einen hohen Rechtfertigungsdruck bei der Frage, was der Staat darf und was nicht.“

Weitergehende Befugnisse seien auch zur Bekämpfung der Internetkriminalität nötig, erklärte Ziercke. Gegenwärtig könnten 70 Prozent der Fälle nicht aufgeklärt werden. Dies hänge auch mit der fehlenden Vorratsdatenspeicherung und der Verschlüsselung der Internettelefonie zusammen.

Vielfach gebe es eine große Ablehnung gegenüber bestimmten Mitteln der Polizeiarbeit.

 „Wir brauchen darüber eine grundsätzliche Debatte“

so Ziercke. Die Debatte über Datenschutz werde derzeit durch den möglichen Missbrauch von Daten bestimmt.

Seiner Ansicht nach wäre es jedoch sinnvoller, sich verstärkt mit dem Einsatz von Kontrollinstrumenten auseinanderzusetzen, damit es auf Seiten der Sicherheitsbehörden gar nicht erst zu einem Datenmissbrauch kommt.

Kontrollinstrumente zur Wahrung des Datenschutzes?

Als Beispiel für ein solches Instrument schlug Ziercke die Einführung eines speziellen Richtergremiums vor. Dieses könne in Fällen von Schwerstkriminalität über Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung, der Online-Durchsuchung oder der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) entscheiden. Bei Letzterer geht es darum, mittels eines Trojaner-Einsatzes etwa Internettelefonate vor ihrer Verschlüsselung beim Sender bzw. nach ihrer Entschlüsselung beim Empfänger zu überwachen.

„Eine derartige Software wird derzeit von uns entwickelt, sie muss aber hohen Anforderungen hinsichtlich Datenschutz und IT-Sicherheit sowie speziellen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen“

teilte Ziercke mit. Bis zum Abschluss dieser Entwicklung sei ein kommerzielles Produkt beschafft worden – es entspreche aber noch nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben und werde vom BKA nicht eingesetzt.

Auch gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt es starke rechtliche Bedenken.

„Es wird immer so dargestellt, als fordere nur das BKA die Vorratsdatenspeicherung“

sagte Ziercke.

„Das ist nicht nur meine Meinung, sondern Konsens unter den Länderinnenministern, Staatsanwälten und Ermittlern.“

Der Begriff Vorratsdatenspeicherung steht für die systematische Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten. Sie soll Fahndern bei der Jagd nach Terroristen und anderen Schwerkriminellen helfen.

Gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt es jedoch schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof hatten die Vorratsdatenspeicherung als nicht mit den Grundrechten vereinbar verworfen.

Fazit

Letztendlich ist es „Geschmacksache“, ob man bereit ist seine Grundrechte einschränken zu lassen und dem Staat immer umfassendere Kontrollmöglichkeiten einzuräumen. Selbst wenn das im Bereich der Schwerstkriminalität vielleicht noch nachvollziehbar sein mag (sollte dies denn tatsächlich zu deren Aufklärung oder Prävention beitragen) – stellt sich doch immer die Frage, wer einem garantiert, dass die eigenen Daten nicht doch irgendwann einmal für andere Zwecke verwendet werden. Gesetze können sich schließlich ändern. Und wenn erst einmal das Einfallstor für eine Beschneidung von Grundrechten geschaffen wurde, sind weitere Einschränkungen leicht denkbar. Man muss sich also die Frage stellen: Ist es mir das wert? Die weitere Diskussion bleibt jedenfalls mit Spannung abzuwarten.

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  • Was gibt es hier noch weiter zu diskutieren? Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik haben staatliche Behörden, allen voran Polizeien und Geheimdienste – mit so viel Macht und Befugnissen ausgestattet – so viele Daten gespeichert, verknüpft, ausgewertet und weitergegeben. Nie zuvor waren Unschuldige so stark von Überwachung betroffen wie heute. Menschenrechte und Grundrechte werden systematisch und sanktionslos verletzt.

    Was wollen Überwachungsextremisten wie Herr Ziercke oder andere Staatsvertreter denn noch? Kameras in Wohnungen? Bargeldverbot? Elektronische Fußfesseln für alle? In Zeiten von (nahezu) totaler Überwachung und Kontrolle, in Zeiten zunehmender Entrechtung meint ein Herr Ziercke ernsthaft, Datenschutz würde Überwachung behindern? Auf welchem Planeten lebt dieser Herr? Faktisch können Behörden tun und lassen, was sie wollen. Das Instrumentarium an legalen Grundrechtseingriffen ist derart umfassend, dass Klagen nach angeblich eingeschränkten Möglichkeiten für Behörden einfach lächerlich sind.

    Sie können keine Terroristen bekämpfen, indem Sie Unschuldige terrorisieren!
    Sie können Kriminelle nicht bekämpfen, indem Sie Unschuldige kriminalisieren!

    Wer Sicherheit will, muss in Bildung, soziale Sicherung und Gesundheitversorgung investieren. Die meisten Kriminellen sind das Ergebnis zerrütteter gesellschaftlicher Verhältnisse und somit ein Eigenprodukt unserer Gesellschaft. Menschen nicht auf die schiefe Bahn abgleiten zu lassen, ist die beste Kriminalitätsprävention.

    Gebt der Polizei mehr Personal, bessere Bezahlung, bessere Ausbildung und Ausrüstung statt Unschuldige zu überwachen.
    Gebt Richtern mehr Zeit zum Prüfen von Überwachungsanträgen statt Blankoschecks ausstellen zu lassen.
    Sanktioniert Fehlverhalten und Rechtsbrüche bei Staatsdienern statt die staatlichen Täter zu protegieren.

  • Bevor es das Internet gab, konnten 70,5 % der Straftaten nicht aufggeklärt werden. Ziercke ist mit einer der größten Schnüffler in Deutschland, nach der NSA und reiht sich ein in die lern- und bildungsresistenden Fachsimpel. Es gibt genügend Gesetze, die heute schon sehr viel Macht und Handlungsfreiraum für die „Ordnungshüter“ bedeuten. Wenn diese aber rein aus Personalmangel und Finanznot nicht genutzt werden, dann kann man nicht einfach mal so als vermeintlich kosten- und personalsparendes Mittel die anlasslose Totalüberwachung und das Stellen aller Bürger unter Generalverdacht als Aus- oder Umweg sehen. Sofern es überhaupt um reine Ermittlungsarbeit und nicht nur Schnüffelei ginge.
    Am liebsten hätten Ziercke und co. doch ne Fernbedienung, mit der sie jeden verdächtigen Bürger per Eingabe der Steuer-Ident gleich direkt abschalten oder stilllegen könnten. (Wird es in 10 Jahren ganz sicher geben… /ironie off)

  • Liebe Kollegen!

    Das Einknüppeln auf das Thema Datenschutz als Täterschutz ist zur Zeit wieder groß in Mode. Ob das jetzt die direkten Forderungen nach Vorratsdatenspeicherung oder die Begehrlichkeiten auf die Daten bei der noch einzuführenden PKW Maut betrifft. Der böse Datenschutz steht einer erfolgreichen und effektiven Ermittlungsarbeit stets im Weg.

    Mir fehlt die Fantasie für die Vorstellung, Profi Verbrecher nutzen abhörbare Kommunikationskanäle wie Telefon oder normale Email, um den nächsten Coup zu planen. Ähnlich wird bei es auf große Terrorakte ausgelegten Anliegen sein. Etwas blauäugig zu vermuten, dies würde in einer Facebook Gruppe geplant oder in einer Telefonschaltung untereinander abgestimmt. Ähnlich sieht es bei den Daten aus der PKW Maut aus. Wer seine letzten Strafzettel nicht bezahlt hat, fällt dabei vielleicht in die Erfassung und muss mit Konsequenzen an der nächsten Abfahrt rechnen. Wer wirklich was verbirgt, ist im Zweifel nicht mit seinem originalen Kennzeichen aufgefallen und fährt daher einfach weiter.
    Für die Jagd nach ungeübten Gelegenheitstätern ist der Eingriff in Grundrechte nach meinem Dafürhalten unverhältnismäßig – auch wenn diese Sichtweise nicht stammtischtauglich sein mag.

    Wo ist das Konzept, denen das Leben schwer zu machen, die wirklich große Dinger drehen und heute schon so clever wären, sich von keiner dieser geforderten Überwachungsmaßnahmen auffinden zu lassen?

    Wie so oft in dieser teilweise sehr emotionalen Diskussion fehlen mir persönlich harte Fakten und oftmals auch nachvollziehbare, bis zu Ende gedachte Begründungen. Von daher bin ich ebenfalls sehr gespannt auf die weitere Diskussion, die hoffentlich an Sachlichkeit zwischen den Grabenkämpfern zunimmt.

    Es grüßt ein Kollege

    • In der Tat sehe ich auch die Gefahr, dass Schwerstkriminelle, bei denen man eine Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls noch annehmen könnte, sehr genau über die angewendeten Techniken informiert sind und daher ohnehin nicht über sie zu identifizieren sind.

      Im Ergebnis führt das – wie Sie schon sagen – dazu, dass lediglich diejenigen betroffen werden, bei denen der entsprechende Eingriff in aller Regel unverhältnismäßig ist.
      Und das ist eben die Gefahr, die bei derartig generalisierten Überwachungsmaßnahmen besteht. Zwar richten sich Forderungen der Befürworter auch in erster Linie gegen Schwerstkriminalität, ob die daraus gewonnen Daten aber auch tatsächlich dafür verwendet werden (können) ist jedoch höchst zweifelhaft.

      Und ob eine Aufgabe seiner Grundrechte tatsächlich zu mehr Sicherheit führt, wage ich zu bezweifeln. Zumindest habe ich in der Realität keinen Fall identifizieren können, wo Überwachungsstaaten mehr Sicherheit und Frieden für ihre Bürger gewährleisten konnten.
      Ganz im Gegenteil…

  • Nun, ich teile die Bedenken gegen diese Überwachungsmittel. Sind sie erst mal installiert kann man sie für alles mögliche (miss)brauchen. Außerdem stört mich das man immer mit der Schwerstkriminalität geködert werden soll. Mord per Trojaner? Ich habe noch nie gehört das man diese Mittel haben will um Steuerhinterzieher zu fassen.

  • Bin Ladin und Provenzano benutzten jahrzehntelang überhaupt keine elektronischen Kommunikationsmittel, wie auch die meisten ihrer Kollegen. Es nützt, statistisch nachweisbar, auch nichts, nach einem Sandkorn im Meer zu suchen ( so ein Ex-NSA-Mitarbeiter, nicht Snowden ), jedenfalls im Sinne von Verbrechensbekämpfung. Wenn nur 1/10 von Snowdens Angaben zutrifft, dann hat der Datenschutz – Overkill stattgefunden.
    In diesem Kontext kann es also keine Behinderung der Polizeiarbeit durch Datenschutz mehr geben. Weil es gar keinen Datenschutz in dem Sinne gibt, dass jeder über die Erhebung und Verwendung seiner Daten selbst entscheidet. Die Entscheidung treffen andere.

    Nachdem in gnadenlosem Kontrast zur Kreation des imaginären „Grundrechts auf Sicherheit“ jahrzehntelang Personal bei der Polizei und Justiz abgebaut wurde kann man diesen Abbau, der zur partiellen Funktionslosigkeit geführt hat, als Haupthindernis für eine effektive Verbrechensbekämpfung bezeichnen. Immerhin gelang es, die vor dem BMI herumlungenden Junkies von dort zu entfernen. Historische Leistung.
    Ein Blick auf die Kriminalstatistiken zeigt, dass der gigantische Überwachungsapparat NICHT Verbrechensbekämpfung zum Ziel hat, sondern dazu dient, Machtstrukturen ( neutral formuliert ) zu sichern. Die meisten Anzeigen bleiben wegen Personalmangels liegen.

    Goldene Zeiten für die private Sicherheitsindustrie. Wenn man also etwas geheim halten will, dann benutze man handgeschriebene Zettel, auf denen Befehle stehen. Brieftauben.

  • Gerade haben wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls groß gefeiert, nicht zuletzt mit einem Staatsakt. Brauchen wir parallel dazu die Einführung von „Stasi 2.0.?

  • „Brauchen wir parallel dazu die Einführung von “Stasi 2.0.?“

    Die Stasi wirkt im Vergleich zu den heutigen Strukturen, insbesondere den technischen Möglichkeiten, ein bisschen wie ein Kegelclub. Interessant wäre, die Möglichkeiten der elektronischen Massenüberwachung in Manpower umzurechnen: wie viele Auswerter bräuchte man, um das zu erzielen, was ein schrankgroßer Rechner leistet ? Man kann das nur vage schätzen, aber es kämen auf jeden Steuerzahler ein paar tausend Aufpasser.
    Wie oft man jeden Tag im Routinebetrieb von Überwachungskameras erfasst und aufgezeichnet wird ist auch nur noch vage abzuschätzen. Wurde um die Jahrtausendwende etwa ein New Yorker rund hundertmal pro Tag aufgezeichnet dürfte sich diese Zahl eher stark erhöht haben, so dass jeden Tag immer wieder tausend bis x tausend Überwachungsvideos
    eines jeden mündigen Bürgers entstehen. Dazu kommen Positionsdaten aus Handys, IP-Adressen aus Rechnern, Nutzungsprofile aus Suchmaschiniendatenbanken, Charakteranalysen aus Datingsites ( und Artverwandtem ), Konsumentenpräferenzprofile aus Shoppingsites usf.. Man wird auch grundsätzlich nicht gefragt, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Was dann mit den Datenmassen passiert, wird, wie sollte es anders sein, geheim gehalten.

    Es geht also nur noch um die Frage, ob die Erhaltung eines überwachungsfreien Raums möglich ist. Wie aber soll ein nicht existenter Datenschutz die Kriminalitätsbekämpfung behindern, wenn alle Ressourcen in die Richtung der Bereinigung politischen Widerstands gelenkt werden ?

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