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Datenerhebung bei Minderjährigen ab 15 Jahren nur mit Zustimmung der Eltern!?

Datenerhebung bei Minderjährigen ab 15 Jahren nur mit Zustimmung der Eltern!?

Die Erhebung von Daten Minderjähriger ab 15 Jahren durch eine Krankenversicherung im Rahmen eines Gewinnspiels ist wettbewerbswidrig. Zumindest entschied dies das OLG Hamm, nach dessen Ansicht ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorliegt.

Sachverhalt

Die Krankenkasse verteilte Gewinnspielkarten auf einer Messe für Schüler und Jugendliche. Auf der Rückseite befanden sich Felder für Adresse, Name, Email usw., die für Werbezwecke genutzt werden sollten. Darunter fanden sich Datenschutzhinweise und anschließend eine Einwilligungserklärung. Den Abschluss der Rückseite bildeten Felder für Datum und Unterschrift, mit dem Hinweis, dass bei Kindern unter 15 Jahren die elterliche Zustimmung nötig ist.

Die Entscheidung

Das OLG (OLG Hamm, Urteil v. 20.09.2012, I-4 U 85/12) urteilte, dass auch Minderjährigen ab 15 Jahren nicht die nötige Reife haben, die Tragweite der Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen und daher die Zustimmung der Eltern ebenfalls nötig sei. Dies habe die Krankenkasse ausgenutzt und sich somit einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Der Fall ist sowohl wettbewerbsrechtlich als auch datenschutzrechtlich interessant und trifft die Schnittmenge beider Gebiete.

Offene Fragen

Fraglich ist, ob ein Wettbewerbsverstoß nach § 4 Nr.2 UWG auch einen Datenschutzrechtsverstoß im vorliegenden Fall zur Folge hat oder ob eine mögliche datenschutzrechtlich wirksame Einwilligung einen Wettbewerbsverstoß ausschließen könnte. Die Frage stellt sich insofern, als das grundsätzlich gilt, dass im Falle der Zulässigkeit der Datenerhebung gemäß § 28 BDSG diese auch nicht unlauter ist (Köhler/Bornkamm 30.Auflage § 4).

Gleiches könnte im Falle einer Einwilligung gelten. Dies gilt umso mehr, wenn sich die Begriffe der Einwilligung und der geschäftlichen Unerfahrenheit inhaltlich decken.

Datenschutzrechtlich ist hier eine Einwilligung nötig, da es an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung zu Werbezwecken durch die Krankenkasse fehlt. Weder dient die Messe für Schüler der Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Schuldverhältnisses nach § 28 Abs. 1 BDSG noch überwiegen die Interessen der Krankenkasse an der Datenerhebung zu Werbezwecken gegenüber schutzwürdigen Interessen der betroffenen Jugendlichen.

Definitionen

Eine wirksame Einwilligung im Datenschutzrecht erfordert unter anderem die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen. Dies setzt die Fähigkeit zur Einsicht in mögliche Folgen der Erhebung und Verwendung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten voraus.
Nach § 4 Nr.2 UWG handelt u.a. unlauter, wer geschäftlich Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die geschäftliche Unerfahrenheit (eines anderen) auszunutzen.
Geschäftliche Unerfahrenheit i.S.d. § 4 Nr.2 UWG liegt vor, wenn eine Person nicht die Erfahrung im Geschäftsleben hat, die bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher zu erwarten sind und die es ihm ermöglichen würden, die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung einer Handlung zu erfassen und kritisch zu bewerten.

Schon anhand dieser beiden Definitionen zeigt sich im vorliegenden Fall, dass es letztlich auf die Fähigkeit hinausläuft die Folgen seines Handelns abzuschätzen. Damit decken sich die Begriffe und ein Verstoß auf der einen hat einen Verstoß auf der anderen Seite zur Folge.

Einsichtsfähigkeit

Die Einschätzung des Gerichts hinsichtlich der Fähigkeit die Folgen des Handelns abzusehen, ist jedoch zweifelhaft. Das Gericht führte aus, die geschäftliche Unerfahrenheit sei in Bezug auf den Durchschnitt der sie betreffenden Gruppe zu ermitteln.

Hierbei bezieht sich das Gericht aber nur auf die 15 und 16-jährigen. Die von dem Gewinnspiel betroffene Gruppe und damit Schutzgruppe nach § 4 Nr.2 UWG sind hier aber tatsächlich die 15-17-jährigen. Auf diesen Durchschnitt ist letztlich abzustellen. Sicher nimmt, wie auch das Gericht betont, die geschäftliche Erfahrenheit mit dem Alter zu, sodass pauschal ausgedrückt ein 17 jähriger reifer sein dürfte, als ein 15 jähriger.

Eines der Hauptargumente des Gerichts ist die Schnelligkeit in der der Minderjährige über die Einwilligung entscheiden musste. Für eine derart spontane Entscheidung fehle es an der Reife, da der Reiz etwas zu gewinnen überwiege. Dies kann aber nicht das entscheidende Argument sein.

„Digital natives“

Denn aus heutiger Sicht ist festzuhalten, dass gerade die derzeit 15-jährigen mit dem Computer, dem Internet und Social Media derart eng verwoben aufgewachsen sind, dass sie früh dem Informationsfluss hinsichtlich Datenschutzproblemen ausgesetzt waren und sind.

Früh bekommen Minderjährige E-Mail-Accounts, sodass man auch annehmen kann, dass sie damit schneller Erfahrung sammeln und auch wissen wie mit Spam umzugehen ist. Daher scheint auch das Argument einer problematischen Erreichbarkeit auf „allen Kanälen“ für Werbezwecke der Krankenkassen nicht ganz zeitgemäß. Auch ohne Werbung der Krankenkassen werden Minderjährige mit Werbung konfrontiert. Gerade bei dieser Generation könnte man aber annehmen, dass sie mit Problemen des Datenschutzes besser umgehen können als noch die Kinder von vor 5 Jahren. Nicht ohne Grund spricht man heutzutage von der Generation der „Digital Natives“.

Fazit

Selbstverständlich kann man auch die Meinung vertreten, dass die Einsichtsfähigkeit grundsätzlich nicht in gleichem Maße ausgeprägt ist, wie bei Erwachsenen. Eine Indizwirkung für eine möglicherweise inzwischen erweiterte Einsichtsfähigkeit der Minderjährigen könnte auch in Art. 8 Abs.1 der geplanten EU Datenschutzverordnung gesehen werden. Dort wird von einer Einsichtsfähigkeit Minderjähriger ab 14 Jahren ausgegangen, sodass für eine wirksame Einwilligung gerade nicht die Zustimmung der Eltern nötig sein soll. Auch wenn die Verordnung noch nicht in Kraft getreten ist, spiegelt sie dennoch eine Werte- und Schutzbereichsentscheidung wieder.

Unabhängig davon, welcher Auffassung man nun folgen möchte, hätte sich das OLG zumindest mit diesem Wandel und einer möglicherweise erweiterten Einsichtsfähigkeit auseinandersetzen können – und müssen.

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