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Datenschutzbeauftragter: Kein „wichtiger Grund“ für eine Kündigung

Datenschutzbeauftragter: Kein „wichtiger Grund“ für eine Kündigung

Das Arbeitsgericht Berlin (ArbG Berlin, Urteil vom 23.10.2015 – 28 Ca 9903/15) hat sich damit auseinandergesetzt, wann ein „wichtiger Grund“ für eine Kündigung eines Datenschutzbeauftragten iSd. § 4 f Abs. 3 BDSG angenommen werden kann – oder eben nicht. Auf einige der Fragen wollen wir hier näher eingehen.

Kündigung nur aus wichtigem Grund

Mit den folgenden Fragen befasste sich das Gericht sehr ausführlich:

  • War der Kläger als DSB wirksam bestellt?
  • Hatte der Kläger die ausreichende Fachkunde?
  • Kann sich der Arbeitgeber auf eine unwirksame Bestellung berufen?
  • Konnte dem Kläger gekündigt werden, weil die Abteilung geschlossen wurde?

Der Kläger war Leiter der IT-Abteilung und zugleich langjährig bestellter Datenschutzbeauftragter. Der Arbeitgeber beschloss, die IT-Abteilung aufzulösen. Die Arbeitsplätze aller Mitarbeiter sollten wegfallen. Betroffen von dieser Maßnahme war auch der Kläger.

Die Kündigung es betrieblichen Datenschutzbeauftragten setzt gem. § 4 f Abs. 3 Satz 5 BDSG voraus, dass

„Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen.“

Das Gericht kommt daher ganz lapidar zu dem Ergebnis, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene „ordentliche“ Kündigung schon auf Anhieb als gesetzeswidrig erweise.
Dennoch befasse sich das Gericht im Weiteren mit einigen Einwänden der Beklagten.

Fachkunde und Zuverlässigkeit

Diese hatte vorgetragen, dass der Kläger nicht über die erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit verfüge. Das Gericht befasste sich daher mit der Diskussion zu der Frage, ob ein Abteilungsleiter IT gleichzeitig auch als Datenschutzbeauftragter fungieren dürfe.

„Richtig ist auch, dass die Gerichte für Arbeitssachen … und Fachschrifttum … die Aufmerksamkeit der forensischen Praxis in diesem Zusammenhang darauf lenken, dass die gesetzlich kodifzierten Kontrollbefugnisse (§ 4 g BDSG[114]) nicht ausgerechnet derjenigen Person übertragen werden, deren Handeln nach dem Willen des Gesetzes kontrolliert werden soll. Insofern darf in der Tat auch auf dem nicht zuletzt grundrechtssensiblen … Gebiet des Datenschutzes nicht – um mit dem Volksmund zu sprechen – „der Bock zum Gärtner“ gemacht werden.“

Das Gericht sieht diese Diskussion im vorliegenden Fall jedoch unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als nicht relevant an. Die Beklagte könne sich zur Verkürzung der Rechte des Klägers nicht auf einen angeblich fehlerhaften Bestellungsakt berufen.

„Insbesondere ist es dem Arbeitgeber danach verwehrt, sich bei veränderter Interessenlage zulasten seines Vertragspartners auf Rechtsvorschriften zu berufen, die er zuvor selber missachtet hat.“

Es führt hierzu weiter aus:

„Selbst wenn die Bestellung des Klägers zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten seit 1998 und zuletzt im Oktober 2012 … wegen etwaiger Unvereinbarkeit damit an ihn gestellter Erwartungen rechtlich angreifbar erscheinen sollte, was – wie gesagt – auf sich beruhen kann, entzöge ihm dies nicht den Schutz des § 4 f Abs. 3 BDSG, der ihm nach ihrem eigenen wiederholten (oder jedenfalls als Rechtsnachfolgerin früherer Akteure zurechenbaren) Tun der Beklagten durch die Bestellung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten kraft zwingenden Gesetzes zukäme.“

Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes?

Auch eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 4 und 5 KSchG lehnt das Gericht ab. § 15 Abs. und 5 KSchG ermöglicht unter engen Voraussetzungen bei Stilllegung eines Betriebes auch die Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrates.

„Als Parallelen werden in der vielgliedrigen Aufzählung des Begründungstexts … Personengruppen völlig anderer Typik aufgezeigt, denen lediglich in letzter Linie („oder der Betriebsratsmitglieder“) ein Hinweis auf die Regularien des § 15 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 BetrVG angefügt ist. Bei dieser Sachlage können die verlautbarten Absichten des parlamentarischen Normgebers folglich mitnichten für die Annahme plausibel in Anspruch genommen werden, die in § 4 f Abs. 3 BDSG konfigurierte Gestalt des Sonderkündigungsschutzes sei – gemessen am erklärten Regelungswillen – „lückenhaft“ ausgefallen… .“

Kündigung mit Auslauffrist?

Ebenso erteilte das Gericht einer vorsorglich miterklärten außerordentlichen Kündigung mit sozialer „Auslauffrist“ eine Absage. Die Unternehmerentscheidung (Stilllegung der Abteilung) erzeuge keinen „wichtigen Grund“, der ihr die Rechtsmacht verschaffte, das nach § 4 f Abs. 3 Satz 5 BDSG unter Sonderkündigungsschutz gestellte Arbeitsverhältnis des Klägers zu beenden. Das Gericht verweist unter anderem darauf, dass es dem Arbeitgeber unbenommen bleibe, die Bestellung des Datenschutzbeauftragten zeitlich zu befristen und dies durch den Düsseldorfer Kreis empfohlen werde.

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