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„Du kommst hier nicht rein!“ – Gesichtserkennung im Fußball-Stadion rechtswidrig

„Du kommst hier nicht rein!“ – Gesichtserkennung im Fußball-Stadion rechtswidrig

Wir berichteten bereits über die Verhängung bundesweiter Stadionverbote und die damit verbundenen Datenübermittlungen in die Datei „Gewalttäter Sport“. Für Polizei und Vereine ist es natürlich relativ schwer, verhängte Stadionverbote in allen Stadien Deutschlands zu kontrollieren und durchzusetzen, da die Gesichter der Verbannten nicht überall bekannt sein dürften.

Personenerkennung in Echtzeit

Abhilfe soll nun einmal mehr eine neue Überwachungstechnik schaffen: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat in seinem Projekt „Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen (PaGeVi)“ ein Verfahren entwickelt, bei dem Videoaufnahmen in Echtzeit danach ausgewertet werden können, ob eine bekannte Person den erfassten Bereich passiert hat. Durch eine Verwendung an den Eingängen der Stadien könnten dann mit einem Stadionverbot belegte Besucher automatisch erkannt und sofort angehalten werden.

Fanproteste stoppten ersten Test

Vor kurzem sollte das neue System bei einem Heimspiel des Karlsruher SC (KSC) getestet werden: Bei einem Feldversuch wollte man Test-Personen an den Eingängen zum Gästeblock mit Hilfe der Technik automatisch ausfindig machen. Doch dazu kam es nicht. Obwohl die Kameras schon installiert waren, stoppte der KSC den Praxistest, weil es zu massiven Protesten der KSC-Fans gekommen war. Auch Fussballblogs äußerten heftige Kritik an einer Gesichtserkennung im Fussball-Stadion. Der zuständige Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg, Jörg Klingbeil, teilte auf Anfrage mit, dass er auf den ersten Blick keine Rechtsgrundlage für den Einsatz dieser Technik in Deutschland sehe.

Wer ist rechtlich verantwortlich?

Um der Frage der Rechtmäßigkeit grundsätzlich weiter auf den Grund zu gehen, müsste bei der Suche nach den anwendbaren Vorschriften zunächst geklärt werden, wer hier überhaupt die Daten erhebt und verarbeitet und dafür die Verantwortung trägt. Gemäß § 10 Abs. 5 i.V.m. § 1 Abs. 1 der DFB-Richtlinien zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen sind alle Vereine der 1. bis 3. Bundesliga dazu verpflichtet,

innerhalb der Platzanlage mit Blick auf den Umgriff, die Zuschauerwege und auf die Zuschauerplätze sowie in den Außenbereichen vor den Eingängen sind Video-Kameras mit Zoom-Einrichtungen zu installieren. Die Anlage sollte von der Befehlsstelle der Polizei zu bedienen, an die Polizeimonitore angeschlossen sein und die Möglichkeit der Standbildaufnahme zur Identifikation von Personen bieten.

Nach dieser Regelung spricht einiges dafür, dass es sich bei den schon jetzt erfolgenden Videoüberwachungen um polizeiliche Maßnahmen handelt und die Vereine bzw. die Sicherheitsdienste in den Stadien hier nur die Infrastruktur zur Verfügung stellen (Auftragsdatenverarbeitung). Man kann davon ausgehen, dass auch der Einsatz einer Gesichtserkennung von der Polizei durchgeführt werden würde, wenn sie ohnehin schon die eingesetzten Kameras steuern und deren Aufzeichnungen nutzen. Damit ist die Rechtmäßigkeit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu bewerten, die der Polizei Eingriffsbefugnisse erlaubt.

Keine ausreichend konkrete Ermächtigungsgrundlage

Als datenschutzrechtliche Erlaubnisvorschrift würde zunächst die Regelung zur Videoüberwachung aus dem jeweiligen Landesdatenschutzgesetz in Betracht kommen. Diese untersagen in der Regel eine heimliche Überwachung und ordnen die Anbringung von Hinweisschildern an. Eine Auswertung mit einer Gesichtserkennungssoftware wird von diesen keinesfalls gedeckt. Somit könnte sich eine Legitimation allenfalls noch aus dem jeweiligen Polizeirecht ergeben (PolG oder SOG). Darin finden sich in der Regel nur sehr allgemeine Vorschriften dazu, unter welchen Voraussetzungen die Polizei Daten abgleichen darf (z.B. in § 25 PolG NRW).

Verfassungsrechtliche Bedenken

Da es sich bei dem Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware in Echtzeit um einen wesentlich grundrechtsintensiveren Eingriff handelt als bei einer bloßen Videoüberwachung, kann hier erst recht keine derartige datenschutzrechtliche Generalklausel als Rechtsgrundlage eingreifen. Aus diesem Grunde gibt es schon für die Videoüberwachung spezielle Regelungen, die der Gesetzgeber ggf. auf die Gesichtserkennung erweitern müsste. Ob ein solches Gesetz verfassungskonform wäre, erscheint aufgrund des fast schon totalitären Überwachungscharakters mehr als fraglich.

Ergebnis

Zur Zeit gilt jedenfalls: Ohne ein spezielles Gesetz wäre ein Einsatz der Gesichtserkennung  durch die Polizei in Fußballstadien rechtswidrig.

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