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E-Scooter: Klimaretter, Datenkrake oder einfach nur im Weg?

E-Scooter: Klimaretter, Datenkrake oder einfach nur im Weg?

Seit jeher wird Neues oft kritisch beäugt. Seit ein paar Monaten sehr gut zu sehen am Beispiel der mietbaren E-Scooter in jeder deutschen Großstadt. Sind sie ein sinnvoller Beitrag zur notwendigen Verkehrs- und Klimawende oder nur weitere gefräßige Datenkraken, die auf Kosten unserer Privatsphäre ein neues Geschäftsmodell aufbauen?

Ein weiteres Datenopfer

Ja, der Autor dieses Textes gibt es zu. Eines sonnigen Tages am Rhein hat auch er sich hinreißen lassen, die App einer der großen E-Scooter-Anbieter heruntergeladen und ein paar Runden gedreht. Das sah weder elegant und lässig aus, noch hat es ihm wirklich was gebracht. Den Roller hat er ca. 50 Meter vom Startpunkt wieder abgestellt, nachdem er ein paar wackelige Minuten am Kölner Rheinauhafen hin- und hergefahren ist. Am Ende hatte er 4,50 € weniger in der Tasche und zudem noch eine Vielzahl personenbezogener Daten preisgegeben. Verkehrswende und Klimarettung sieht anders aus, sollte man meinen.

Aber es macht doch Spaß!

Klar, ein gewisser Spaßfaktor ist den Rollern mit Sicherheit nicht abzusprechen. Doch erstens war das nicht die Intention der Politik, die den Weg für die Roller auf Deutschlands Straßen freigemacht hat und zweitens wird das bisschen Spaß mal wieder – der Leser ist an dieser Stelle nicht überrascht – mit den Daten der Nutzer erkauft (neben etwas Geld natürlich).

Spaßverderber aus der Hansestadt

Jemand der diese Tatsache ganz und gar nicht spaßig findet, ist Herr Caspar aus Hamburg. Er ist seines Zeichens Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit und somit von Natur aus ein Mensch, der sich Sorgen macht bzw. machen muss. In den ganz überwiegenden Fällen tut er das bestimmt berechtigterweise, zum Beispiel, wenn er anmerkt, dass es bedenklich ist, dass die Hamburger Polizei ohne Vorliegen einer einschlägigen Ermächtigungsgrundlage eine biometrische Datenbank mit menschlichen Gesichtern von größtenteils unbeteiligten Personen anlegt (Seine diesbezügliche Anordnung wird bisher ignoriert, das Verwaltungsgericht beschäftigt sich mit dem Fall).

Und auch im vorliegenden Fall schlägt Hamburgs oberster Datenschützer Datenkraken-Alarm – und dafür findet er wirklich beängstigende Worte. Zurecht stellt er fest, dass die Möglichkeit sich im öffentlichen Raum fortbewegen zu können, ohne dabei verfolgt zu werden, einen elementaren Bestandteil der Privatsphäre darstellt. Der Nutzer eines E-Scooters verliere jedoch diesen Schutz, denn

„diese neue Form urbaner Mobilität wird von vielen Anbietern nur unter einem erheblichen Eingriff in die Privatsphäre von Nutzern zur Verfügung gestellt.“

Puh, das sitzt! Hat der Autor mit seinem anfängerhaften Rumgeeiere am Rhein jetzt auch auf diesen Schutz verzichtet und wird in Zukunft nur noch verfolgt?

Was gebe ich preis?

Daten, die bei Nutzung eines E-Scooters über eine App der bekannten Anbieter erhoben werden, sind in der Regel Folgende:

  • Name (meist optional)
  • E-Mail-Adresse
  • Telefonnummer
  • Konto- oder Kreditkartendaten
  • Standortdaten (Start- und Abstellort sowie Fahrverlauf)
  • u.U. Daten von verlinkten Drittanbieterdiensten (z.B. Facebook-Profildaten oder Freundeslisten)
  • Daten von Marketing- und Werbepartnern des Anbieters
  • Technische Daten und Nutzungsdaten bei Nutzung der App

Intransparente Informationen und fehlende Erforderlichkeit

Weitere Kritikpunkte sind die undurchschaubaren Informationen der Anbieter über die Datenverarbeitung und eine fehlende Erforderlichkeit für die Erhebung bestimmter Daten, wie z.B. die Fahrverläufe. Nach Vorgaben der DSGVO sind transparente Informationen durch die verantwortliche Stelle über die Datenverarbeitung zur Verfügung zu stellen. Ob dies durch die E-Scooter-Anbieter geschieht, muss jeder interessierte Nutzer selbst beurteilen. Herr Caspar selbst scheint zumindest alle erforderlichen Informationen gefunden zu haben, um zu den oben genannten Einschätzungen zu kommen. Jedenfalls die Kategorien der erhobenen Daten und die potenziellen Empfänger werden meist – wenn auch etwas oberflächlich – genannt.

An der Erforderlichkeit für die Erhebung von (Standort-)Daten kann man hier berechtigterweise zweifeln. Zumindest wird nicht wirklich klar, warum der gesamte Fahrtverlauf gespeichert und in welchen Fällen genau an öffentliche Stellen oder andere Dritte weitergegeben wird. Nach Angabe der Anbieter geschieht dies jedoch anonymisiert und z.B. zu Zwecken der Verkehrsplanung. Ein mitunter durchaus wünschenswerter Zweck, hat man die ursprüngliche Intention der Roller als Antreiber der Verkehrswende im Hinterkopf.

Also Datenkrake?

Ja. Natürlich. Das ist nicht wirklich überraschend. Wie Herr Caspar selbst schreibt, sind diese Daten

„Treibstoff für digital getriebene Geschäftsprozesse.“

Und wenn man in Zukunft anstatt im Kreis auch mit dem Roller regelmäßig zur Arbeit, nach Hause, zum Sport, zum Bäcker, in die Kneipe und gelegentlich auch zur Toilette fährt, dann kann man vielleicht von Verlust der Privatsphäre durch Rollernutzung sprechen.

Bezüglich der E-Scooter sieht die Realität (zumindest momentan) jedoch anders aus. Die Roller ersetzen kaum Auto- oder Zugfahrten. Sie werden hauptsächlich für gelegentliche Spaßfahrten benutzt. Ansonsten stehen sie nur im Weg und haben eine gar nicht mal so gute Klimabilanz. Von einer umfassenden Verfolgung der Nutzer kann also eher keine Rede sein. Genauso wenig wie von einer Verkehrswende. Solange sich die lustigen Roller also nicht vollends durchsetzen und andere Fortbewegungsmittel ersetzen, wird sich das wohl auch nicht ändern.

Wutbürger, calm down!

Angst vor der endgültigen Zerstörung der Privatsphäre muss wohl niemand haben, der einen E-Scooter gelegentlich mal zur Überbrückung mittelgroßer Distanzen nutzt. Angst über einen der zahlreichen Roller zu stolpern oder ein Bußgeld zu kassieren scheint da eher angebracht.

Jeder Nutzer sollte sich trotzdem Gedanken darüber machen, ob es ihm die Offenbarung seiner Daten wert ist, um hin und wieder mal ein bisschen Roller zu fahren. Nachdem sich dieses Internet überraschenderweise doch durchgesetzt hat, gilt das so allerdings für viele andere Lebenssituationen entsprechend.

Wutbürger, auf die Barrikaden!

Also werfen wir die Bedenken des Spaßverderbers aus Hamburg über Bord? Nein, er darf das. Das ist schließlich sein Job. Und man sollte sogar noch weiter gehen. Deshalb folgender abschließender Appell:

Lieber E-Scooter-Hasser,

wenn sie sich heute Nacht maskiert in die Innenstadt begeben, um heimlich zahlreiche auf dem Gehweg abgestellte Elektroroller in den städtischen Fluss zu werfen, schmeißen Sie Ihr Smartphone, Ihren Laptop und Ihre Kreditkarten gleich hinterher. Nur so können Sie sicher sein, dass Sie in der Öffentlichkeit nicht weiter verfolgt werden. Nehmen Sie für den Rückweg doch einen E-Scooter und haben ausnahmsweise mal ein bisschen Spaß. Aber nur das eine Mal!

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  • Guter Beitrag, aber wie soll ich mit dem E-Scooter fahren, wenn erstens dieser im Fluss liegt und zweitens mein Smartphone gleich daneben liegt? ;)

    • [Von der Redaktion gelöscht – Bitte bleiben Sie sachlich und beachten unsere Nutzungsbedingungen]

    • Danke für Ihren Kommentar. Der Autor wurde bereits durch besserwisserische Arbeitskollegen auf diesen schwerwiegenden Logikfehler aufmerksam gemacht. Er möchte anmerken, dass mit Sicherheit noch ein Roller in der Nähe auffindbar sein sollte, um damit den Heimweg antreten zu können. Vorausgesetzt natürlich der hier relevante Wutbürger war nicht übereifrig und hat den gesamten E-Scooter-Bestand der Stadt in den Fluss geworfen.
      Für das Problem mit dem nicht mehr vorhandenen Smartphone hat er bisher aber auch keine Lösung gefunden. Wenn Sie eine finden, verspricht der Autor Ihnen ein kostenloses Newsletter-Abo unseres Blogs und ein Eis, wenn man sich mal sieht. ;)

  • Die eigentlichen Datenschleudern sind die zugehörigen Apps auf dem Smartphone. Ebenso wie alle anderen Apps kann darüber ein sehr viel genaueres Bild einer Person erstellt werden als es mit EScooter, Leihrad oder PKW alleine auch nur ansatzweise möglich ist.

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