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Erfassung von KFZ-Kennzeichen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung

Erfassung von KFZ-Kennzeichen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung

Die massenhafte und undifferenzierte Erfassung von KFZ-Kennzeichen ist grundsätzlich Datenschützern ein Dorn im Auge. Kürzlich hatten wir schon über die Kennzeichenerfassung im Rahmen der Section Control berichtet. In diesem Artikel widmen wir uns der Aufzeichnung von KFZ-Kennzeichen zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung.

Grenzenlose Sammlung von KFZ-Kennzeichen

Während wir mit dem Auto nichtsahnend über die Autobahn fahren, wird unser KFZ-Kennzeichen erfasst und gespeichert. Dies passiert ganz unbemerkt durch an der Autobahn aufgestellt Erfassungsgeräte, welche über einen längeren Zeitraum hinweg und unterschiedslos KFZ-Kennzeichen aufnehmen. Diese Daten werden zur Gefahrabwehr aber auch zu Strafverfolgung gesammelt. Die Effizienz der Maßnahme ist bereits in die Kritik geraten. Daneben ist es äußerst problematisch, dass die Streubreite der Maßnahme alle Autofahrer umfasst, egal ob verdächtig oder nicht.

Rechtsgrundlage für die KFZ-Kennzeichenerfassung

Wird bei der Fahrt über die Autobahn das KFZ-Kennzeichen erfasst, so findet eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten statt. Dass es für die Datenverarbeitung einer Rechtsgrundlage bedarf, dürfte mittlerweile bekannt sein. Welche Rechtsgrundlage einschlägig ist, hängt vom Zweck der Kennzeichenerfassung ab. Für die Gefahrenabwehr – präventive Maßnahmen – sind die einzelnen Länder zuständig, sodass vornehmlich die Polizeigesetze der Länder heranzuziehen sind. Die Strafverfolgung – repressive Maßnahmen – wird hingegen vom Bund geregelt und für die Findung einer Rechtsgrundlage ist ein Blick in die Strafprozessordnung (StPO) erforderlich.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat sich Ende letzten Jahres (Beschl. v. 18.12.2018, Az. 1 BvR 142/15 und Beschl. v. 18.12.2018, Az. 1 BvR 3187/10) mit der Verfassungsmäßigkeit von automatisierten KFZ-Kennzeichenkontrollen befasst, wobei es allerdings um drei Landesgesetze (Bayern, Hessen und Baden-Württemberg) ging.

Zunächst stellte das BVerfG fest, dass die automatisierte Kennzeichenerfassung einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aller Personen begründe, deren Kennzeichen in die Kontrolle einbezogen werden. Im Jahre 2008 entschied das BVerfG noch, dass ein Eingriff nur im Falle eines Treffers vorläge. In Abkehr von dieser Entscheidung geht das BVerfG nun davon aus, dass ein Eingriff unabhängig davon gegeben sei, ob das Ergebnis bei einem Abgleich zu einem Nichttreffer führt. Demnach liegt bereits eine Datenverarbeitung und mithin ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung vor, wenn die Daten erfasst und abgeglichen werden.

Ein solcher Eingriff könne nur durch ein verhältnismäßiges Gesetz gerechtfertigt werden. Voraussetzung für polizeiliche Kontrollen sei grundsätzlich „ein objektiver bestimmter und begrenzter Anlass“. Um engen Grenzen für die Kennzeichenkontrolle zu gewährleisten, müssten die Regelungen eine Beschränkung auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse beinhalten.

Position der Datenschutzaufsichtsbehörden

In der Entschließung der DSK (Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder), die vergangene Woche veröffentlicht wurde, nimmt die DSK eine klare Position ein bezüglich der Kennzeichenerfassung für Strafverfolgungszwecke:

„Angesichts einer fehlenden Rechtsgrundlage sieht die DSK in der geschilderten exzessiven Nutzung von Kennzeichenerfassungssystemen für die Zwecke der Strafverfolgung einen Verstoß gegen das Grundgesetz und eine Verletzung der Bürgerinnen und Bürger in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.“

§ 100 h Abs. 1 S.1 Nr. 2 StPO erlaubt allein, zur Observation von beschuldigten Personen – und eben nicht Jedermann – bestimmte technische Mittel einzusetzen, sofern Gegenstand der Strafverfolgung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist. § 111 StPO erlaubt die Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten nur, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die in § 111 StPO genannten Straftatbestände erfüllt sind, also unter sehr engen Grenzen. Auch aus anderen Gesetzen der StPO lässt sich kein Erlaubnistatbestand für ein Recht zur allgemeinen Aufzeichnung von allen KFZ Kennzeichen herleiten.

Inwieweit die Aufforderung der DSK gegenüber den Ermittlungsbehörden, die umfassende und unterschiedslose Datenverarbeitung von KFZ-Kennzeichen für Zwecke der Strafverfolgung zu unterlassen und rechtwidrige Daten zu löschen, Früchte tragen wird, bleibt abzuwarten.

Künftig restriktiverer Umgang bei der Erfassung von KFZ-Kennzeichen

Die klare Positionierung der DSK zur Kennzeichenerfassung zur Strafverfolgung ist begrüßenswert. Aufgrund der Schwere des Grundrechtseingriffs ist hier eine stringente Linie wichtig.

Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn die DSK auch die Kennzeichenerfassung zur Gefahrabwehr etwas differenzierter beurteilt hätte. Zwar besteht hier ein Unterschied in der Zweckrichtung und insofern, dass bei der Gefahrabwehr eine längere Speicherung nicht erfolgt, sofern es sich um einen „Nicht-Treffer“ handelt. Dies hilft über den Umstand jedoch nicht hinweg, dass allein die Erhebung und der Abgleich eine unzulässige Datenverarbeitung darstellen kann, wenn diese nicht durch Landesgesetze gerechtfertigt ist oder die Landesgesetze unverhältnismäßig sind.

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  • Wie sieht es denn mit der Rechtsgrundlage der Kennzeichenerfassung für die Mautkontrolle aus? Wäre das Art 6.1 b oder c? Die mit Satelliten erfassten Kennzeichen müssen zum Abgleich ja auch verarbeitet bzw. zumindest temporär gespeichert werden. Geht man durch das Benutzen einer öffentlichen mautpflichtigen Strasse einen Vertrag mit dem Betreiber = Staat ein ?

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