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Adresshandel: Was erlaubt der Datenschutz?

Adresshandel: Was erlaubt der Datenschutz?

Wer kennt es nicht? Das E-Mail-Postfach quillt über, im Briefkasten stapeln sich Werbeanschreiben. Bestimmt haben auch Sie sich dann schonmal gefragt: Ist diese Art der Werbung so tatsächlich erlaubt? Und woher haben die eigentlich meine persönlichen Daten? In den meisten Fällen dürfte die Antwort lauten: Adresshandel.

Was ist Adresshandel?

Unter Adresshandel versteht man allgemein das Vermitteln von Kontaktdaten einer Person von einem Adresshändler an den Käufer, der die Daten oftmals für Werbezwecke nutzt. Denn Wirtschaftsunternehmen sind daran interessiert, ihren Kundenstamm laufend zu erweitern. Um werben zu können, benötigen die Unternehmen Adressdaten von potentiellen Kund:innen. Beim Adresshandel werden aber regelmäßig nicht nur Namen und Adressen generiert und vermarktet. Vielmehr werden die Daten auch für Zielgruppenanalysen oder die Erstellung von Nutzerprofilen genutzt.

Rechtsgrundlagen für den Adresshandel nach der DSGVO

Der Adresshandel wird durch die DSGVO nicht explizit geregelt oder erlaubt. Demnach richtet sich die Rechtslage nach den allgemeinen Vorgaben der DSGVO.

Taugliche Rechtsgrundlagen für das Erfassen und den Weiterverkauf von Daten sind die informierte Einwilligung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO und das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO. Gleichwohl sieht der ehemalige LfDI BW Stefan Brink eine vorzugswürdige Rechtsgrundlage in der Einwilligung der betroffenen Person, weil er meint, dass mangels Erkennbarkeit der Datenweitergabe die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Verarbeitung aufgrund des berechtigten Interesses regelmäßig nicht vorlägen.

Gemäß Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine Einwilligung

„jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutig bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.“

Dabei dürfte grundsätzlich eine pauschale Einwilligung in die Weitergabe der Daten zum Zwecke des Adresshandels ausreichen, wenn die betroffene Person sachlich umreißen kann, dass und an welche Marktteilnehmer ihre Daten verkauft werden.

Sollte man eine Einwilligung nicht als zwingend notwendig für den Adresshandel ansehen, könnte die Nutzung von Kundendaten durch ein Unternehmen zu Zwecken der Werbung und des Adresshandels auch nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO erlaubt sein, wenn das Unternehmen den Adresshandel zur Wahrung von berechtigten Interessen betreibt und sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Es ist also eine Interessensabwägung vorzunehmen, die sich immer an den Umständen des jeweiligen Einzelfalls orientieren muss.

Sind die bisherigen Zeiten des Adresshandels vorbei?

Den Handel mit Daten von Verbraucher:innen könnte es in seiner bisherigen Form aber vielleicht bald schon nicht mehr geben. Nach Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung seien beinahe alle deutschen Landesdatenschutzbeauftragten mittlerweile überzeugt, dass eine Weitergabe von Daten im Wege des Adresshandels zu Werbezwecken auf Grundlage des berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO nicht mehr möglich sei, es sei denn, die Betroffenen seien darüber informiert worden und hätten eine entsprechende Einwilligung erteilt. Lediglich das Land Nordrhein-Westfalen vertrete eine gegenteilige Meinung und sei der Ansicht, dass sich der Adresshandel nach wie vor auf das berechtigte Interesse stützen lasse.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder, kurz „Datenschutzkonferenz“, Deutschlands wohl wichtigstes Datenschutzgremium, hat bereits im November 2018 eine Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden zur Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung unter der Geltung der DSGVO veröffentlicht. Im Februar vergangenen Jahres erging nach Beschluss der DSK eine Anpassung dieser Orientierungshilfe. Aufgrund der Komplexität des Themas „Adresshandel“ wurde im Rahmen der Abstimmung unter den Aufsichtsbehörden zu der Anpassung der Orientierungshilfe allerdings beschlossen,

„das Thema Adresshandel einer gesonderten Beratung zu widmen, um eine Überfrachtung und Unübersichtlichkeit der Orientierungshilfe zur Direktwerbung zu vermeiden.“ (S. 57)

Zwischen den Datenschutzbehörden scheint es also einiges an Gesprächsbedarf hinsichtlich des Themas „Adresshandel“ zu geben.

Wettbewerbsrechtliche Anforderungen an den Adresshandel

Bei der werblichen Ansprache mit gekauften Adressen sind neben den datenschutzrechtlichen Anforderungen auch die Regelungen des § 7 UWG zu beachten. Danach darf der Verbraucher nicht angesprochen werden, wenn die Werbung erkennbar unerwünscht ist. Ansonsten läge eine unzumutbare Belästigung vor. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Werbung regelmäßig dann nicht erkennbar unerwünscht sein könnte, wenn die betroffene Person die Einwilligung in den Weiterverkauf ihrer Daten erklärt hat. Unternehmen, die nicht die Gefahr eingehen wollen, Verbraucher per E-Mail in unzumutbarer Weise zu belästigen, sollten sicherstellen, dass auch die Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erklärt wurde. Abweichend von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG gelten für eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post aber Ausnahmen, nach denen dann keine unzumutbare Belästigung vorliegt.

Ausnahme für Adressen aus öffentlich zugänglichen Quellen

Personenbezogene Daten, die die betroffene Person offensichtlich öffentlich gemacht hat, können grundsätzlich auf der Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verarbeitet werden. Bei der hierbei gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen wird in diesen Fällen regelmäßig das berechtigte Interesse überwiegen, da die betroffene Person selbst den Schutz ihrer personenbezogenen Daten durch deren Veröffentlichung gelockert hat.

Allerdings sind nicht alle öffentlichen Einträge solche, welche die betroffene Person offensichtlich öffentlich gemacht hat. Beispielsweise sind Einträge in Telefonbüchern sowie die Veröffentlichung von Kontaktdaten aufgrund von Impressumspflichten oder im Handelsregister keine offensichtlich öffentlich gemachten Daten in diesem Sinne. Denn sie wurden von den betroffenen Personen teilweise nicht freiwillig, jedenfalls aber nicht zum Zweck der werblichen Ansprache veröffentlicht. Hier überwiegen wieder die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen gegenüber den berechtigten Interessen der handelnden Unternehmen, sodass das berechtigte Interesse an der Verarbeitung nicht als Rechtsgrundlage dienen kann und es auch hier einer Einwilligung bedarf.

Spannende Zeiten für den Adresshandel

Auf den Adresshandel, so wie wir ihn kennen, kommen spannende Zeiten zu. Da Daten bekanntlich als Währung des 21. Jahrhunderts gelten, verwundert es nicht, dass Unternehmen ein großes Interesse daran haben, Daten über potenzielle Kunden zu gewinnen. Dass sich die DSK für eine gesonderte Beratung hinsichtlich des Themas verständigt hat, verdeutlicht dessen Relevanz für die Zukunft. Bislang sind neue Veröffentlichungen jedoch ausgeblieben. Vereinzelt wird dies so interpretiert, dass sich innerhalb der DSK die oben dargestellte Position zur datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des Adresshandels nur noch mit vorheriger Einwilligung der jeweiligen Empfänger nicht durchgesetzt hat. Als nächster Termin der Datenschutzkonferenz ist der 22. März 2023 angesetzt – es bleibt also spannend.

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