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Markt- und Meinungsforschung und der Datenschutz

Markt- und Meinungsforschung und der Datenschutz

Markt- und Meinungsforschungsumfragen haben große Relevanz für Unternehmen, um fundierte unternehmerische Entscheidungen treffen zu können. Je nach verfolgten Zwecken sowie konkreter Vorgehensweise bei der Durchführung, unterscheiden sich allerdings die rechtlichen Rahmenbedingungen grundsätzlich. Möchte man die gesetzliche Privilegierung von wissenschaftlicher Markt- und Meinungsforschung genießen, gilt es streng wissenschaftlich und unabhängig zu arbeiten.

Was ist Markt- und Meinungsforschung?

Um die datenschutzrechtlichen Prinzipien der Markt- und Meinungsforschung richtig einordnen zu können, ist ein umfassendes Verständnis des Begriffs notwendig:

Markt- und Meinungsforschungsprojekte beschäftigen sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Themen, wie beispielsweise Konsumgewohnheiten, demographische Entwicklungen oder Mediennutzung. Die Ergebnisse sind häufig die Basis für unterschiedliche Unternehmensentscheidungen.

Ziel ist es, zu einem konkreten Untersuchungsgegenstand entscheidungsrelevante Erkenntnisse zu gewinnen. Dabei gilt es bspw. Absatzmärkte kennenzulernen, Risiken zu erkennen, Unsicherheiten zu reduzieren oder Informationen zu selektieren, um Innovationen gestalten zu können.

Abgrenzung von Marktforschung und Direktwerbung

Sowohl die wettbewerbsrechtlichen als auch die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für die Marktforschung sind grundsätzlich andere als für die Direktwerbung. Um die strengen rechtlichen Anforderungen an die Direktwerbung zu umgehen, stellt sich in der Praxis deshalb häufig die Frage, ob eine geplante Werbeaktion nicht als Markt- und Meinungsforschung von den wettbewerbs- und datenschutzrechtlichen Beschränkungen ausgenommen ist.

Die Einordung hängt dabei am Begriff der Werbung. Weder die DSGVO noch das UWG kennen eine Legaldefinition der „Werbung“. Die europäische Irreführungsrichtlinie (RL 84/450/EWG) spricht in Art. 2 Nr. 1 von

„Jeder Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern.“

Sowohl anhand dieses Wortlautes als auch im Rahmen gerichtlicher Konkretisierung ist der Werbebegriff grundsätzlich sehr weit zu verstehen. So geht die Rechtsprechung bei Kundenzufriedenheitsanalysen beispielsweise regelmäßig von einem werblichen Charakter aus. Werden Kunden eines Unternehmens nach ihrer Zufriedenheit mit den Geschäftsabläufen gefragt, so stehe die Kundenbindung und Absatzförderung im Vordergrund. Bei solchen Meinungsumfragen genügt auch schon die mittelbare Absatzförderung zur Bejahung von Werbung. Dabei macht es auch keinen Unterschied, ob die Befragung durch ein Meinungsforschungsinstitut oder das Unternehmen selbst durchgeführt wird. Von einer nicht-werblichen Ansprache kann damit nur dann ausgegangen werden, wenn diese nicht der Absatzförderung dient.

Zur Abgrenzung der Marktforschung von Werbe- und Marketingmaßnahmen können folgende Grundprinzipien als Indizien herangezogen werden:

  • Die Marktforschung basiert auf einem wissenschaftlich-methodischen Vorgehen.
  • Sie trifft keine Aussage über Einzelpersonen, sondern interessiert sich für das Verhalten von Gesellschaftsgruppen.
  • Ihre Aufgabe ist die Ermittlung verallgemeinerungsfähiger Aussagen.
  • Das Marktforschungsinstitut muss die Daten so schnell wie möglich pseudonymisieren.
  • Die Marktforschung unterliegt einem strengen Zweckbindungsgrundsatz. Zur Marktforschung gewonnene personenbezogene Daten dürfen z.B. nicht zu Werbe- und Marketingzwecken verwendet werden.

Markt- und Meinungsforschung nach der Datenschutz-Grundverordnung

Während die alte Fassung des Bundesdatenschutzgesetzes die Markforschung in einem eigenen Paragrafen ausdrücklich regelte, fehlt es in der DSGVO an einer vergleichbaren Norm. Es mangelt somit an konkreten Vorgaben zu Fragen der Rechtsgrundlage, der Pseudo- und Anonymisierung oder der Zweckbindung. Demnach gilt es, Marktforschungsprojekte an den allgemeinen Grundsätzen der DSGVO, insbesondere aus Art. 5 DSGVO, zu messen.

Einwilligung oder berechtigtes Interesse

Zentrale Frage ist dabei jene nach der passenden Rechtsgrundlage. In Betracht kommt dabei die Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO) sowie das berechtigte Interesse des Auftraggebers (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO).

Bei der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsgüter

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, unter welchen Voraussetzungen Marktforschungsmaßnahmen auf ein berechtigtes Interesse gestützt werden können. Dies hängt vom Ergebnis, der im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Verantwortlichen und den betroffenen Personen ab.

Als berechtigtes Interesse der Verantwortlichen gilt für die Markt- und Meinungsforschung zunächst, dass diese mittels wissenschaftlicher Methoden und Techniken notwendige Informationen als empirische Grundlage und zur Unterstützung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Entscheidungen bereitstellt. Sie ist damit für die genannten Bereiche ein wichtiger Impulsgeber und so regelmäßig von öffentlichem Interesse.

In die Abwägung ist weiterhin miteinzubeziehen, dass die DSGVO die Interessen der Forschung und Statistik an zahlreichen Stellen (u.a. Art. 89 DSGVO) privilegiert. Weiterhin gilt es das Grundrecht auf freie Forschung aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 13 GrCh zu beachten.

Nicht zuletzt unterfällt die Markt- und Meinungsforschung strengen Berufsgrundsätzen und Standesregeln zur Zweckbindung, Pseudonymisierung und Anonymisierung. Diese Punkte beeinflussen die Interessenabwägung in erheblichem Maße zugunsten der verantwortlichen Stelle, weil sie die Intensität der Eingriffe in die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen signifikant vermindern.

Ist Marktforschung wissenschaftliche Forschung i.S.d. DSGVO/BDSG?

Umstritten ist, ob Markt- und Meinungsforschung auch als wissenschaftliche Forschung i.S.d. Datenschutzrechts zählt und ihr damit eine privilegierte Stellung zukommt. Vor der Anwendbarkeit der DSGVO versperrte das alte BDSG bisher eine solche Annahme, weil es zwischen der Markt- und Meinungsforschung und der wissenschaftlichen Forschung unterschied. Diese Unterscheidung kennt die DSGVO allerdings nicht und die entsprechende Wertung kann deshalb nicht mehr aufrecht erhalten bleiben.

Weder die DSGVO noch das BDSG enthalten eine Definition wissenschaftlicher und historischer Forschung. Angesichts der in Erwägungsgrund 159 und 160 der DSGVO zum Ausdruck kommenden Privilegierung der wissenschaftlichen Forschung und in Verbindung mit Art. 179 Abs. 1 AEUV, welcher den Auftrag erteilt, einen europäischen Raum der Forschung zu schaffen, ist allerdings davon auszugehen, dass die wissenschaftliche Forschung grundsätzlich weit auszulegen ist.

Nach Ansicht des BVerfG (BVerfGE 35, 79 (112)) soll entscheidendes Merkmal für die Klassifizierung einer Tätigkeit vom Anwendungsbereich des Datenschutzrechts umfasste Forschung jenes sein, ob die Tätigkeit dem Ziel dient, in methodischer, systematischer sowie nachprüfbarer Art und Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. Solche neuen Erkenntnisse können allerdings nur dann gewonnen werden, wenn das Vorhaben unabhängig betrieben wird. Es darf keine Einflussnahme auf die Forschungstätigkeit genommen werden, welche geeignet ist, die Ergebnisse der Forschung nach der Vorstellung des Auftraggebers zu beeinflussen oder gar zu manipulieren. Hiervon ist allerdings nicht grundsätzlich schon dann auszugehen, wenn der Auftraggeber kommerzielle Interessen verfolgt.

Es spricht daher viel dafür den Begriff der wissenschaftlichen Forschung in der DSGVO und dem § 27 BDSG weit auszulegen. Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Markt- und Meinungsforschung nach wissenschaftlichen Methoden betrieben wird. Darüber hinaus differenziert § 27 BDSG auch nicht zwischen unterschiedlichen Motiven für die wissenschaftliche Forschung. Diese können somit grundsätzlich auch kommerzieller Art sein. Entscheidend ist vielmehr, ob die durchführende Stelle unabhängig von ihrem Auftraggeber agieren kann. Solange dies der Fall ist, kann auch eine nach wissenschaftlichen Methoden betriebene Markt- und Meinungsforschung in den Anwendungsbereich des § 27 BDSG fallen.

Folgen der Qualifikation von Marktforschung als wissenschaftliche Forschung

Somit können auch Markt- und Meinungsforschungsmaßnahmen in den Genuss der Privilegierungen von wissenschaftlicher Forschung der DSGVO und des BDSG kommen. Daraus folgen zahlreiche vorteilhafte Regelungen, aber auch ein Nachteil.

Erleichterte Weiterverarbeitung

Zunächst einmal wird die Weiterverarbeitung von bereits erhobenen Daten nach Art. 5 Abs. lit. b) DSGVO vereinfacht. So gilt die Weiterverarbeitung zu Forschungszwecken nicht als mit den ursprünglichen Zwecken unvereinbar.

Keine Einwilligung für besondere Kategorie personenbezogener Daten

Nach § 27 Abs. 1 BDSG ist die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten für Forschungszwecke auch ohne Einwilligung möglich, soweit sie erforderlich sind und die Interessen des Verantwortlichen, die Interessen der Betroffenen erheblich überwiegen.

Ausnahme von Datenschutzgrundsatz der Speicherbegrenzung

Auch der Grundsatz der Speicherbegrenzung von personenbezogenen Daten, welche für Forschungszwecke gespeichert werden, ist gem. Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO ausgesetzt.

Dafür erhöhte Anforderungen an technisch und organisatorische Maßnahmen

Neben den zahlreichen Privilegierungen bei Datenverarbeitungen zu Forschungszwecken enthält die DSGVO allerdings auch eine strengere Regelung. So verlangt Art. 89 Abs. 1 DSGVO erhöhte Maßstäbe bei der Implementierung geeigneter, technisch organisatorischer Maßnahmen, um die Sicherheit der zu Forschungszwecken erhobenen personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Insbesondere die Datenminimierung gilt es durch die Pseudonymisierung von Daten zu gewährleisten.

Markt- und Meinungsforschung, aber richtig!

Mit der Qualifikation der Markt- und Meinungsforschung als wissenschaftliche Forschung im Sinne des Datenschutzrechts, gehen zahlreiche Vorteile einher. Zentrale Punkte bei der Bewertung sind dabei die Unabhängigkeit und die Wissenschaftlichkeit. Werden diese Grundsätze nicht gewahrt, so ist es ganz schnell vorbei mit den Vorteilen bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu Zwecken der Markt- und Meinungsforschung. Insbesondere die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ist dann in aller Regel nur noch mit Einwilligung möglich. Und auch der Raum für eine Abwägung zugunsten der verantwortlichen Stelle im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO wird dann immer kleiner.

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  • Sehr geehrter Dr. Datenschutz,
    Ihre Website ist seit langem eine sehr wertvolle, wirklich lehrreiche und prägnant und verständlich geschriebene Informationsquelle für mich – vielen Dank! Als unabhängiger medizinischer Marktforscher möchte ich aber gern einige kleine Anmerkungen zu Ihren Ausführungen machen.

    1. Die Deutschen Marktforschungsrichtlinien der Verbände ADM, BVM, ASI und DGOF sind leider in meinem Verständnis in einem Punkt nicht eindeutig formuliert. So dürfen personenbezogene Daten an den Auftraggeber einer Marktforschungsstudie weitergeleitet werden (https://www.adm-ev.de/wp-content/uploads/2018/07/RL-GDs-und-Quali-Interviews.pdf), nämlich die Video- oder Audioaufzeichnung eines Interviews für max. 3 Monate zu Forschungszwecken und im Sinne des konkreten Untersuchungsziels, wenn „begründet davon ausgegangen werden kann, dass der/die Teilnehmer dem Auftraggeber (Mitarbeiter und externe Berater des Auftraggebers eingeschlossen) aufgrund der Auswahlkriterien nicht bekannt ist/sind“ und nachdem der Auftraggeber unterschrieben hat, dass er die Aufzeichnung vertraulich behandeln wird und jeden Versuch einer De-Anonymisierung unterlassen wird, und nachdem der Befragte über die genannten Bedingungen in Kenntnis gesetzt wurde und zugestimmt hat. Im strengen Sinne der DSGVO-Definition von „personenbezogen“ und im Sinne von Erwägungsgrund 26 könnte der Teilnehmer also noch „identifizierbar“ sein, weil der Auftraggeber vermutlich prinzipiell Mittel hätte und nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich nutzen würde, um den Teilnehmer zu de-identifizieren. Ob die unterzeichnete Erklärung des Auftraggebers, diese Mittel nicht zu nutzen, das Kriterium „nach allgemeinem Ermessen wahrscheinlich“ formal hinreichend entkräftet, so dass man nicht mehr von „identifizierbar“ sprechen dürfte, bezweifle ich (ich bezweifle es nur formal, ich unterstelle unseren Auftraggebern ernsthaft keine bösen Absichten). In der Essenz bedeuten also die Deutschen Marktforschungsrichtlinien, dass Daten dem Auftraggeber zwar personenbezogen, aber in einer Form und mit Zustimmung der Befragten und unter den oben genannten weiteren Einschränkungen übermittelt werden dürfen, die es dem Auftraggeber nicht erlaubt, ihn namentlich zu identifizieren.

    2. Oben erwähnen Sie die berufsrechtlichen internationalen Verhaltensregelungen ICC/ESOMAR. Die gelten aber nur, soweit sie nicht im Widerspruch stehen zur „Erklärung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zum ICC/ESOMAR Internationaler Kodex zur Markt-, Meinungs- und Sozialforschung sowie zur Datenanalytik (‚Deutsche Erklärung‘)“ und den Deutschen Marktforschungsrichtlinien von ADM, BVM, ASI und DGOF (https://www.adm-ev.de/standards-richtlinien/#anker2), die viel strenger sind als die ICC-/ESOMAR-Guidelines. So gibt es das Trennungsgebot (Trennung von Marktforschung und nicht-wissenschaftlicher Forschung) und das sog. Anonymisierungsgebot nur in den Deutschen Marktforschungsrichtlinien, nicht in den internationalen ICC-/ESOMAR-Richtlinien. In Deutschland halten wir uns also in erster Linie an die Richtlinien der Deutschen Marktforschungsverbände, und ICC/ESOMAR ist nachrangig.

    3. Sie weisen korrekt darauf hin, dass sich die Zulässigkeit der Verarbeitung u.a. auf das berechtigte Interesse des Auftraggebers stützen kann (Art. 6 Abs. 1 Lit. f DSGVO). Im praktischen Alltag wird man aber auf diese Rechtsgrundlage vermutlich nur dann (also selten) abheben, wenn das Marktforschungsinstitut einem Befragten bei Erstkontakt erklärt, auf welcher Rechtsgrundlage es seine Kontaktdaten nutzt, wenn diese aus öffentlichen Quellen stammen. Falls die Kontaktdaten aus einer Kundenliste des Auftraggebers stammen und sich ein Marktforschungsinstitut auf 6 1 f beziehen muss und sagt: „Guten Tag, Herr Müller, ich rufe Sie zu Marktforschungszwecken an und habe Ihre Kontaktdaten von Firma XYZ, die meint, dass das Geschäftsinteresse von XYZ höher einzustufen ist als Ihre Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten“, dann wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Marktforschung womöglich nachhaltig gestört und Firma XYZ verliert Herrn Müller als Kunden. Stammen die Kontaktdaten des Befragten von einer Auftraggeberliste, sollte darum der Auftraggeber immer die Einwilligung seiner Kunden zur Weiterleitung an Marktforschungsinstitute zu Marktforschungszwecken eingeholt haben, damit 6 1 a als Rechtsgrundlage vorliegt. Mit gleicher Begründung sollten auch die Antworten der Befragungsteilnehmer nur auf Basis von 6 1 a, also mit Einwilligung, verarbeitet werden und nicht auf Basis von 6 1 f, also aus Geschäftsinteressen. Und mit gleicher Begründung wird man m.E. in der Markt- und Meinungsforschung selten die von Ihnen genannten Artikel 5 und 89 bemühen wollen: „Ich bin ein wissenschaftlich tätiger, unabhängiger Forscher und verarbeite darum Ihre pers.bez. Daten für eine kommerziell tätige auftraggebende Firma ohne Ihre Einwilligung, garantiere Ihnen aber, dass Sie anonym bleiben“ dürfte für die Bevölkerung nicht überzeugend klingen, um generell bereit zu sein, an Marktforschung teilzunehmen.

    • Vielen Dank für Ihre Ausführungen zu diesem Thema, welches gerade aufgrund der von Ihnen angesprochenen „Vermengung“ von Datenschutzrecht, internationalen ICC/ESOMAR Kodex, nationale Fassung und Verbands-Richtlinien häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Ich stimme Ihnen zu, dass die Verwendung des Begriffs der Anonymität in der von Ihnen angesprochenen Richtlinie nicht mit der Bedeutung aus der DSGVO übereinstimmt. Solange das Gesicht der gefilmten Person erkennbar und die Person daher identifizierbar ist, dürfte auch bei der Vertretung eines relativen Begriffs des personenbezogenen Datums nicht von Anonymität gesprochen werden. Datenschutzrechtlich wäre die Übermittlung der Aufnahmen an den Auftraggeber auf Basis einer Einwilligung zwar unproblematisch möglich. Hier kommen wir dann aber zu dem von Ihnen in Punkt 2 angesprochenen Problem mit der strengen deutschen Fassung des ICC/ESOMAR Kodexes: Eine Einwilligung wäre hiermit unzulässig.

      Nur bei dem letzten Punkt kann ich Ihnen nicht ganz folgen. Ich halte das berechtigte Interesse an der Marktforschung und die damit einhergehende „Erleichterung“ bei der Datenverarbeitung durchaus für legitim. Auch mit den Informationspflichten sehe ich kein Problem, da diese auch mit einem pragmatischen Ansatz in zwei Schritten übermittelt werden können. Die Zwecke der Datenverarbeitung und die verantwortliche Stelle ergeben sich regelmäßig schon automatisch aus dem Gespräch. Das berechtigte Interesse kann dann auch in einer Datenschutzerklärung auf der Webseite genauer ausgeführt werden.

      • Vielen Dank für Ihre Antwort. Das „berechtigte Interesse“ an der Marktforschung halte ich auch für absolut legitim – so hatte ich es nicht gemeint. Ich empfinde aber, dass wir in der Marktforschung soweit irgend möglich die Einwilligung der Teilnehmer zur Verarbeitung i.S.v. 6 1 a einholen sollten, denn wer um Einwilligung gebeten wurde, wird mehr Vertrauen in die Marktforschung haben und bereitwilliger an zukünftiger Marktforschung teilnehmen als jemand, der womöglich erfährt, dass seine Daten aus Geschäftsinteressen oder zu Forschungszwecken ohne Einwilligung verarbeitet wurden, selbst wenn die Geschäftsinteressen das Eigeninteresse aus Sicht der kommerziellen Firma überwiegen müssen – und hierbei wird über den Kopf des Betroffenen hinweg entschieden. Ich argumentiere also aus psychologischen und vielleicht marktforschungsethischen Gründen und hätte vielleicht auch dazusagen sollen, dass wir selbst hauptsächlich qualitative Marktforschung mit kleinen Probandenzahlen betreiben, wo es auch praktikabel ist, von jedem Teilnehmer die Einwilligung einzuholen. Bei extrem großen quantitativen Stichproben mag dies weniger praktikabel sein, so dass berechtigtes Interesse an Marktforschung (6 1 f), berechtigtes Interesse an anderen als Marktforschungszwecken (6 1 f mit 5 1 b und 89 1) oder wissenschaftliche Forschung (Erw.grund 40 mit BDSG 27 und BDSG 22 2 2) dann sicherlich hilfreiche Konstrukte sind.

  • Sehr geehrter Dr. Datenschutz,
    im Rahmen meiner Bachelorarbeit wollte ich die potentiellen Kunden eines Unternehmens befragen. Die Befragung soll helfen herauszufinden, welche Informationsquellen nutzen diese Personen, wo sie sich z.B. über neue Produkte der Branche informieren.
    Meine Frage ist daher, darf ich diese potentielle Kunden per E-Mail anschreiben und sie dann darum zu bieten, bei meiner Befragung teilzunehmen? Darf ich gleich im ersten Schreiben einen Fragebogen anhängen? Und muss ich sonst noch irgendwas beachten?
    Vielen Dank für Ihre Hilfe im Voraus!
    Anna

    • Dies ist leider eine komplexere Frage, die sich hier nicht im erforderlichen Umfang klären lässt. Grundsätzlich ist es so, dass Datenverarbeitung zu Forschungszwecken von der DSGVO privilegiert betrachtet werden. Das bedeutet, dass für die Anfrage an der Teilnahme nicht zwingend eine Einwilligung erforderlich ist, sondern dies auch schon aufgrund des berechtigten Interesses erfolgen kann. Auf der anderen Seite spielen hier auch noch weitere Punkte mit hinein: Woher hat das Unternehmen die Daten der potentiellen Kunden, darf das Unternehmen die Daten überhaupt an Sie weitergeben, müssen hier noch Informationspflichten erfüllt werden? Dies alles sind Fragen, die der Datenschutzbeauftragte des Unternehmens klären sollte. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.hu-berlin.de/de/datenschutz/einwilligung/datenschutz-in-wissenschaft-und-forschung.

      • Mir wird an dieser Stelle leider immer noch nicht klar, inwieweit und ob es eine Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher Forschung und Werbung gibt, da ich hierzu unterschiedliche / gegensätzliche Aussagen gelesen habe. Um o.g. Beispiel zu konkretisieren: Für ein Forschungsvorhaben werden gezielt bestimmte Teilnehmer gesucht, die bestimmte Charakteristiken erfüllen (z.B. bestimmte Berufsgruppe). Es bestand bisher kein Kontakt zu den potenziellen Teilnehmern (somit kann erstmal auch keine Einwilligung vorhanden sein). Die Kontaktdaten sollen über öffentlich zugängliche Daten (Homepage, Ärzteverzeichnisse, o.ä.) recherchiert werden. Dürfte man diese Wunsch-Teilnehmer nun auf Grundlage des berechtigten Interesses in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen zur Forschung per E-Mail kontaktieren, oder fällt auch ein derartiger Erstkontakt unter §7 UWG? Wäre schön, wenn Sie für mich etwas Licht ins Dunkle bringen könnten, vielen herzlichen Dank.

  • Sehr geehrter Dr. Datenschutz,

    oben schreiben Sie „Daten können auch nach Zweckerreichung gespeichert werden (Art. 5 Lit. e DSGVO)“ – ich wollte nur kurz zu dieser datenschutzrechtlichen Betrachtung ergänzen, dass dies gemäß DSGVO nicht für Besondere Kategorien pers.bez. Daten gilt (BDSG 27 1) und gemäß den strengeren Marktforschungsrichtlinien auch nicht für sämtliche pers.bez. Daten (https://www.adm-ev.de/wp-content/uploads/2018/07/RL-Adressen.pdf: „In der Markt- und Sozialforschung erhobene Daten sind zu anonymisieren, sobald dies nach dem Zweck des Forschungsvorhabens, für das die Daten erhoben worden sind, möglich ist.“).

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