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Hamburg-Premiere von Democracy – Im Rausch der Daten

Hamburg-Premiere von Democracy – Im Rausch der Daten

Wer hätte das gedacht: Der Datenschutz kommt ins Kino und das zu Recht, denn das Ringen um die Datenschutz-Grundverordnung in Brüssel ist tatsächlich filmreif. Die sympathischen „Hauptdarsteller“, die ehemalige Justizkommissarin Viviane Reding und der Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht, waren nach der Premiere live auf der Bühne zu sehen, nur die Bad Guys fehlten und dazu gehören leider auch deutsche Regierungsvertreter.

Brüsseler Spielregeln

Zugegeben – die Materie ist komplex. Wer klare Fronten erwartet und einen Showdown, bei dem die Bad Guys ordentlich Prügel beziehen, der sollte besser in den neuen James Bond gehen. In dem Dokumentarfilm wird schnell deutlich, dass viele in Brüssel den Datenschutz als Grundrecht ansehen und sich dafür einsetzen. Sie werden aber keinen glänzenden Sieg davon tragen, sondern allenfalls Kompromisse erreichen.

Das Gesetzgebungsverfahren in Brüssel ist deshalb so kompliziert, weil es drei Akteure gibt: Die Kommission, die die Grundverordnung ursprünglich entworfen hat, und den Rat („Minister-Rat“) mit den Regierungsvertretern sowie das Parlament, die auf Grundlage des Kommissionsentwurfs jeweils einen eigenen Entwurf erstellen. Wer sich auf den Film einlässt, um das Zusammenspiel dieser Institutionen nachzuvollziehen, der wird mit einem tiefen Einblick belohnt, wie die Regeln für den größten Binnenmarkt der Welt gemacht werden. Viviane Reding betonte im Anschluss, dass der Einblick sehr realistisch ist.

David gegen Goliath

Wie bei einem Blockbuster gibt es einen richtigen Helden: Der junge Europa-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht. Er ist als Berichterstatter dafür zuständig, mit den einzelnen politischen Fraktionen, die im Parlament vertreten sind, den Gesetzesentwurf des Parlaments abzustimmen. Den Schwerpunkt des Filmes bildet das Ringen um Kompromisse im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), der den Entwurf für das Parlament vorbereitet.

Als Abgeordneter der Grünen repräsentiert Albrecht eher eine kleinere politische Gruppierung im Parlament. Um einen Kompromiss zu erreichen, muss er auf die Abgeordneten der großen Fraktionen zugehen – und die vertreten häufig die Interessen von mächtigen Brüsseler Lobbys.

Wie wir schon mehrfach berichtet haben, wurde um die Datenschutz-Grundverordnung die größte Lobbyschlacht ausgetragen, die Brüssel je gesehen hat. Der Dokumentarfilm begleitet einige Lobbyisten, vor allem Anwälte aus großen Kanzleien, wobei niemand weiß, welche Unternehmen deren Honorare zahlen. Auf der anderen Seite stehen Juristen von Bürgerrechtsinitiativen. Ein interessantes Detail: Wenn die Industrievertreter tagen, gibt es ein schönes Frühstück, bei den Bürgerrechtsorganisationen gibt es Kaffee aus Plastikbechern.

Wegen der gigantischen Lobbyarbeit reichten Europaabgeordnete 4.300 Änderungsvorschläge ein. Wie soll Albrecht, der gerade mal von zwei Mitarbeitern unterstützt wird, alle Vorschläge abarbeiten und sich dabei noch mit den politischen Gruppierungen im Europaparlament abstimmen? Eine Schlüsselszene zeigt, wie Albrecht mit jeweils einem Vertreter der jeweiligen Fraktionen (sog. „Schattenberichterstatter“) zusammensitzt und Kompromisse aushandelt. Am Ende steht ein Entwurf, der erst vom LIBE-Ausschuss und dann vom Parlament angenommen wird – eine Heldentat.

Deutsche Vertreter sprechen mit gespaltener Zunge

Eine Parallele zu James Bond gibt es dann doch: Der Bösewicht wird häufig mit einem deutschen oder zumindest deutschsprachigen Schauspieler besetzt.

Nach Abschluss des Verfahrens im Parlament lag der Ball beim Ministerrat. Im Film wird die unrühmliche Rolle, welche die Vertreter der Bundesregierung im weiteren Verlauf gespielt haben, nicht ausdrücklich beleuchtet – es ist nur die Rede von den „üblichen Verdächtigen“.

Umso ausdrücklicher kritisierte die ehemalige Justizkommissarin Reding nach der Aufführung, dass der damalige Innenminister Friedrich die Datenschutz-Grundverordnung von Anfang an torpediert hat, unter anderem mit seinen Gegenvorschlägen für eine Selbstregulierung der Wirtschaft. In der Folge habe die Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren bewusst verzögert und sich dafür eingesetzt, dass klare Schutzregelungen verwässert werden. Besonders ärgerlich empfand es Reding, dass dieselben Regierungsvertreter gegenüber der Presse bemängelten, die Grundverordnung entspreche nicht dem hohen Standard des deutschen Datenschutzes. Dieses Verhalten habe die Vertreter anderer Regierungen sehr irritiert.

Gibt es ein Happy End?

Zu der anschließenden Podiumsdiskussion war auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Prof. Johannes Caspar geladen. Aus seiner Sicht fehlen im Entwurf der Grundverordnung wichtige Schutzinstrumente. Reding und Albrecht betonten dagegen, wie wichtig es aus europäischer Perspektive sei, Kompromisse zu finden, damit das ganze Vorhaben nicht scheitert.

Im Moment findet (hinter verschlossenen Türen) der Trilog statt: Kommission, Parlament und Rat versuchen, auf Basis der vorhandenen drei Entwürfe einen abschließenden Entwurf auszuarbeiten. Jan Philipp Albrecht, der als Berichterstatter des Parlaments beteiligt ist, verriet aus den Verhandlungen, dass die wichtigen Fragen erst gegen Ende des Trilogs verhandelt werden. Ob etwa eine Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten immer ausdrücklich kundgetan werden muss oder auch durch konkludentes Verhalten erfolgen kann, sei noch nicht entschieden.

Die Frage, ob ein fertiger Entwurf der Grundverordnung unter dem Weihnachtsbaum der Albrechts liegen werde, beantwortete der Abgeordnete rundheraus mit „Ja“. Er strahlt nach der Sisyphos-Arbeit immer noch so viel Optimismus aus, dass man ihm einfach glauben muss.

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  • Der Film ist gut und wichtig, da er für die meisten am Thema und an den Prozessen Interessierten tolle Einblicke gewährt. Bezüglich des Themas „Datenschutzrecht“ (und der bisher noch nicht erzielten Einigung über die Ausgestaltung der Datenschutz-Grundverordnung) liegt vielleicht eines der Probleme darin, dass viele Mitgliedstaaten dieses bisher primär durch ihre nationale Brille gelesen und verstanden haben. Die nun wachsende Erkenntnis, dass ihr „hoher“ Standard, ob zutreffend oder nicht, nicht dem (hohen) „europäischen“ Standard entspricht, ist für viele Player „schmerzlich“. Damit soll keine „Blockadehaltung von Mitgliedstaaten“ und keine (aus Sicht der Wirtschaft wahrscheinlich) „angebrachte Lobbying-Maßnahme“ (viele sind übrigens wichtig um eine umfassendes Bild zu erhalten) verteidigt werden, sondern lediglich erklärt werden, warum diese Gesetzesinitiative (leider) so lange dauert.

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