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Meinungsäußerung und Datenschutz – Es besteht noch Regelungsbedarf

Meinungsäußerung und Datenschutz – Es besteht noch Regelungsbedarf

Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwieweit abseits von presse- und medienrechtlichen Bestimmungen weitere Regelungen zum Ausgleich zwischen freier Meinungsäußerung und dem Schutz von personenbezogenen Daten erforderlich sind.

Medien und Datenschutz

Presse und Medien sind für unsere demokratische Gesellschaft von essentieller Bedeutung. Die Bereitstellung einer Vielzahl von Meinungen und Medien ist dabei zwingend mit einer automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden. Gehen wir – was wohl nicht immer selbstverständlich ist – von einer (gründlichen) Recherche eines Journalisten aus, an deren Ende ein Zeitungsartikel oder ein Bericht stehen soll, dann werden bis zum Endprodukt eine Vielzahl personenbezogener Daten automatisiert verarbeitet. Somit bewegt sich der Journalist bei seiner Tätigkeit im ständigen Spannungsfeld zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht auf Schutz von personenbezogenen Daten.

Die Vielfalt an Medien und Meinungen, die für uns ohne Einschränkung zugänglich ist, ist für uns Normalität. Ein Blick in andere Länder zeigt schnell, dass dies leider alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Gerade deshalb wäre es fatal, wenn das wichtige Anliegen des Datenschutzes nicht hilft und schützt, sondern an der falschen Stelle beschränkt.

Blogs, Soziale Netzwerke und Suchmaschinen

Betrachtet man dieses Spannungsfeld, dann sollte gerade nicht nur an den klassischen Berufsjournalisten gedacht werden. Der Ausgleich zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten stellt sich in zahlreichen weiteren Bereichen. Dazu gehören beispielsweise der Betrieb eines Online-Blogs, Äußerungen in sozialen Netzwerken oder das Angebot von Suchmaschinen. Während es in den Bereichen der Presse und des Berufsjournalismus entsprechende Regelungen (Ländergesetze zu Presse und Medien, Staatsverträge) gibt, die für den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung sorgen sollen, fehlt es in den anderen Bereichen an notwendigen Regelungen.

Besteht weitergehender Regelungsbedarf?

Man könnte meinen, die Datenschutz-Grundverordnung mit ihrem „one size fits it all“-Ansatz und die bisherigen Regelungen auf Länderebenen gewährleisten für alle problematischen Fälle den erforderlichen Ausgleich. Dass das leider nicht der Fall ist, lässt sich an zahlreichen praktischen Beispielen veranschaulichen.

Äußert sich beispielsweise ein Blogger zu tagesaktuellen, politischen Themen, so kann es ohne weiteres zu Meinungsäußerungen kommen, die auch die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten mit einschließen. So sind beispielsweise politische Meinungen oder strafrechtliche Verurteilungen von (öffentlichen) Personen häufig Gegenstand der Äußerungen eines Bloggers. Blogger fallen mit ihren Meinungsäußerungen regelmäßig nicht in den Anwendungsbereich der auf Länderebene existierenden Regelungen zu Presse und Medien. Die Bewertung von Beiträgen in Blogs und auf sozialen Netzwerken als journalistische Tätigkeit einzuordnen ist zudem schwierig und der Übergang zwischen professionellem und nicht professionellem Journalismus ist fließend.

Bleibt nun mangels spezieller Regelungen nur die vollumfängliche Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung, dann stellt sich die Frage, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten durch einen Blogger überhaupt in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt. Denkbar wäre zwar, dass die Haushaltsausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit.c DSGVO greifen könnte, wonach die Verordnung keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten findet. Da ein Blog aber in der Regel für eine unbegrenzte Anzahl von Personen über das Internet frei abrufbar ist, dürfte man jedenfalls nicht mehr von persönlichen oder familiären Tätigkeiten ausgehen. In diesen Fällen wäre die DSGVO also anwendbar.

Folgen aus der Anwendbarkeit der DSGVO

Die uneingeschränkte Anwendbarkeit der DSGVO kann mitunter zu nicht hinnehmbaren Einschränkungen bzw. Hindernissen bei der freien Meinungsäußerung führen. Werden in Zusammenhang mit der Meinungsäußerung beispielsweise besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeitet, so unterliegt man den engen Voraussetzungen des Art. 9 DSGVO, was bestimmte Meinungsäußerungen mangels Rechtsgrundlage unmöglich machen könnte.

Darüber hinaus stellen die Informationspflichten und Betroffenenrechte zusätzliche Hürden auf. Ein unliebsamer Blogger könnte hier etwa mit Betroffenenanfragen oder Beschwerden „geflutet“ werden, weil seine Meinung unerwünscht ist. Zudem könnten die Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO den wichtigen Transparenzgrundsatz in eine Gefahr für Nutzer sozialer Netzwerke umkehren. Man denke etwa an die Pflicht zur Angabe des Verantwortlichen (Stichwort: Klarnamenpflicht) oder an die Angaben zur Herkunft von Daten (Stichwort: Informanten- und Quellenschutz). Ohne Regelungen, die hier den Datenschutz – wo erforderlich – einschränken, wird die freie Meinungsäußerung in Einzelfällen schwer oder gar unmöglich gemacht.

Handlungsbedarf durch den nationalen Gesetzgeber

Die Schaffung eines Ausgleichs zwischen der freien Meinungsäußerung und dem Schutz von personenbezogenen Daten in sämtlichen Bereichen, die „Konfliktpotential“ bieten, ist nicht über Abwägungsentscheidungen von Gerichten zu lösen. Hier ist vielmehr der Gesetzgeber gefragt, durch Schaffung von austarierten Regelungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Datenschutz dort einzuschränken, wo es zur Gewährleistung der freien Meinungsäußerung geboten ist. Die Bandbreite, die hier abgedeckt werden muss ist groß. Sie reicht von der Meinungsäußerung auf Twitter über politische Blogs bis hin zu Suchmaschinen für wissenschaftliche Zwecke – überall findet die automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten statt. Art. 85 DSGVO bietet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, um tätig werden zu können, er muss nur noch zugreifen.

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    https://blogs.spdfraktion.de/netzpolitik/2018/12/12/datenschutz-und-meinungsfreiheit-2/

    Allerdings wird deutlich, dass im Einzelfall immer eine Interessenabwägung erforderlich wird, die dann ggf. von den Gerichten entschieden wird.

    Aufgrund der Reichweite des Internets gelten m. E. grundsätzlich keine anderen Grenzen für Meinungsäußerungen als in der analogen Welt. Wer seine Meinung in Bezug auf eine Person über das Internet äußert ist diesbezüglich aber zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Wenn er dann die Grenzen der Meinungsfreiheit vorsätzlich oder grob fahrlässig überschreitet, muss er nicht nur für den mit der Verletzung der Persönlichkeit des Betroffenen verbundenen Schaden aufkommen, sondern auch mit entsprechend strengeren Konsequenzen rechnen. Vielleicht sollte man die Strafen für Tatbestände wie Beleidigung oder Verleumdung entsprechen verschärfen, wenn diese über das Internet verwirklicht werden.

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