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Nach G20-Ausschreitungen – europäische Extremistendatei gefordert

Nach G20-Ausschreitungen – europäische Extremistendatei gefordert

Die erschreckenden Bilder vom Wochenende sind wohl nicht nur uns Hamburgern ins Gedächtnis gebrannt: neben zahlreichen friedlichen Demonstrationen lassen Linksautonome einen Stadtteil in Flammen aufgehen und zeigen eine bis dato in Deutschland ungeahnte Gewaltbereitschaft. Jetzt wird seitens der Politik eine europäische Extremistendatei gefordert. Kann das also die Lösung sein?

Erste Reaktionen

Neben den Rücktrittsforderungen für den Ersten Bürgermeister Hamburgs Olaf Scholz fordern nun vor allem Politiker der großen Koalition ein zentrales Register für linksmotivierte Gewalttäter.

„Wir brauchen eine umfassende Extremistendatei, und zwar europaweit. Dann hätten die Behörden einen besseren Überblick über Gewalttäter und könnten Meldeauflagen auch im Ausland verhängen,“

sagte die Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl gegenüber der Rheinischen Post und bekommt dabei Zustimmung von Unions-Innenexperte Stephan Mayer, der eine solche europäische Extremistendatei für Linksradikale ebenfalls für sinnvoll und unterstützenswert hält.

Kritik bereits an RED und Anti-Terror-Datei

Für andere Bereiche gibt es bereits solche Dateien, wie sie nun auch für linke Extremisten gefordert wird. Seit September 2012 gibt es die RED (Rechtsextremismus-Datei), die eine gemeinsame Datei des Bundes und der Länder zur Aufklärung und Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus in Deutschland ist. Angeschlossen an diese Datei sind insgesamt 36 Behörden. Die Daten bezieht die besagte Datei aber nicht nur von Behörden, mit denen der Bürger regelmäßig in Kontakt kommt. Auch geheime Daten der Verfassungsschutzämter und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) werden eingespeist, wobei hier eine gesonderte Anfrage erforderlich ist. Der damalige Bundesbeauftragte für Datenschutz Peter Schaar kritisierte dies, da so das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten verwischt werde.

Auch die 2007 eingeführte Anti-Terror-Datei sah sich lange Zeit nicht nur der Kritik von Datenschützern ausgesetzt. Unter dem Stichwort „Effektivere Terrorbekämpfung“ sind fast 40 Sicherheitsbehörden zugriffs- und eingabeberechtigt bezüglich der Daten zu gewaltbereiten, terrorverdächtigen Islamisten, darunter auch der BND und die Landeskriminalämter. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Anti-Terror-Datei sogar teilweise für verfassungswidrig erklärt, da das dazugehörige Gesetz gegen grundrechtliche Prinzipien wie das Bestimmtheitsgebot und Übermaßverbot verstoßen hatte. Das Gericht führt aber auch aus, dass zwar der Betroffene erheblichen Belastungen durch diese Datei ausgesetzt sei, dies aber grundsätzlich wegen des erheblichen Gewichts der Terrorbekämpfung durch konkrete Regelungen gerechtfertigt werden könne.

Das Pro solcher Dateien

Die Vorteile von solch zentralen Datei sehen die Befürworter vor allem in

  • einer höheren Prognosesicherheit,
  • einer schnelleren Aufklärung von Straftaten,
  • einer besseren Erkennbarkeit von regionalen Bezügen,
  • schnelleres Handeln und besserer Austausch zwischen den Behörden.

Persönliches Resümee

Am Ende ist es wohl eine Frage der Ausgestaltung, wobei vor allem Fragen nach dem Umfang der Datenkategorien und der Zugriffs – und Eingabeberechtigungen eine entscheidende Rolle spielen. Es bleibt aber ein schmaler Grat zwischen der Sicherheit der Bürger auf der einen und erheblichen staatlichen Datenschutz- und Verfassungsverstößen auf der anderen Seite. Fakt ist leider auch, dass selbst schwere Straftaten allein mit Hilfe dieser Listen nicht mit 100%iger Sicherheit verhindert werden können. Sie können bestimmt – ähnlich wie auch die Grenzkontrollen, die im Vorfeld des G20-Gipfels stattgefunden haben – einen Beitrag dazu leisten, dass gewaltbereite Personen vorab identifiziert werden können. Sicher ist aber vermutlich nur eins: eine solche Datei wird sicherlich die Gewaltbereitschaft der Täter nicht mindern. Sie wird wenn nur Auswirkungen, aber nicht die Ursache an sich bekämpfen.

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  • Ich sehe darin einen indirekten Zusammenhang zur geplanten Einführung von „e-evidence“.
    Man kann so ein Vorhaben, nach derartigen Ausschreitungen, nur gutheißen.

  • Nehmen wir einmal hypothetisch an, eine solche Liste könnte der Gewaltprävention dienen und konform zu den Regelungen des Datenschutzes betrieben werden. Sollte eine europaweite Lösung angestrebt werden, dürfte das größte Problem sein, gemeinsame Kriterien zu finden, wer auf diese Liste gesetzt wird, und vor allem, wer setzt deren Anwendung durch. Leicht könnte diese Liste genutzt werden, unliebsame Oppositionelle zu diffamieren oder gar in ihrer Arbeit massiv zu behindern. Dies ist eine brandgefährliche Angelegenheit angesichts der autoritären Tendenzen in einigen europäischen Staaten. Die Herausforderungen des Datenschutzes fangen also schon weit vor Erstellung der Liste an, bevor die Information zum Datum kristallisiert.
    Im Prinzip brauchen wir zur Verhinderung solcher Gewalttaten auch keine Listen, sondern couragierte Nachbarschaften, die diese Übernachtungsgäste gar nicht erst bei sich dulden.

    Der Umgang mit der Akkreditierung von Journalisten auf dem G20-Gipfel führt uns die Problematik von Listen deutlich vor Augen.

  • Derartige „Dateien“ existieren doch schon längst:
    https://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/polizei-goettingen-sammelte-illegal-daten-ueber-linke-szene-8409668.html

    Oder was glauben Sie, haben IMSI-Catcher beim G20-Gipfel verloren gehabt? Alle Personen, die mit ihren Handys in der Funkzelle nähe Demo eingeloggt waren, sind mit Sicherheit jetzt in einer „Datei“ gespeichert. Mit dem Verbot anonymer Prepaid-Karten zum 01.07 wird ein Schuh draus.

    Wir sollten unsere Grundrechte wegen einer kleinen Gruppe von Chaoten nicht noch weiter einschränken lassen.

  • Woher kommt denn die Gewissheit, das es nur angeblich Linksautonome gewesen sein sollen ? Ich persönlich war und bin politisch neutral, aber so eine ideotischen politischen motivierten Rotzaussage würde ich nie und nimmer wählen, denn in Hamburg kamen ja wohl gemischte Gruppierungen zusammen und nicht nur die sogenannten linke Front. Fakt ist und bleibt, die Sicherheitspolitik auf Bundesebene hat total versagt.
    Heute machen wir eine Antiterrordatei für die einen, morgen für die anderen und übermorgen dürfen wir jeden überwachen, nur weil dieser eine andere Meinung hat, anders aussieht, zur Vorbeugung ein sozialbetrüger sein könnte oder was weiß ich. Wenn wir das wirklich wollen, dann sollten Sie die Erungenschaften vom Datenschutz sofort aufgeben, den Verfassungsschutz abschaffen und die Stasi für innere Angelegenheiten zur Überwachung ihrer Bürger wieder zum Leben erwecken, aber selbst die Stasi mit ihren massen an Datenbergen konnte den Fall der Mauer nicht verhindern und ausgerechnet die gloreiche Datensammelwut soll das Problem stoppen ? Probleme sind dazu da um gelöst zu werden und nicht dazu da um noch mehr mist am Fliessband zu produzieren.

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