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Smartphone-Gaffer: Wenn Unfallbilder zur Straftat werden

Smartphone-Gaffer: Wenn Unfallbilder zur Straftat werden

Es häufen sich Meldungen über „Smartphone-Gaffer“ – also Menschen, die an einem Unfallort mit Smartphones filmen und Rettungskräfte behindern. Anschließend werden die Aufnahmen möglichst schnell in soziale Netzwerke hochgeladen. Es ist nicht nur der Anstand, der ein solches Verhalten untersagt. „Smartphone-Gaffern“ drohen erhebliche – auch strafrechtliche – Konsequenzen.

Schaulustige behindern Rettungskräfte

Besonders begehrt sind offensichtlich Aufnahmen des Unfallopfers selbst. Anders lässt sich die Schilderung von Einsatzkräften bei einem schweren Unfall in Hagen nicht erklären. Wie die F.A.Z. berichtete, mussten die Einsatzkräfte dort folgendes erleben:

„Ein zehnjähriges Mädchen war von einem Auto angefahren und schwer verletzt worden. Schaulustige hatten sofort ihr Smartphone gezückt, um das Opfer zu filmen. Einige hätten sogar die Rettungskräfte aufgefordert, zur Seite zu gehen, damit sie besser filmen könnten, schreibt Polizeikommissar Tino Schäfer.

Um das Mädchen vor Blicken und Kameras zu schützen, verdeckte die Feuerwehr die Unfallstelle mit weißen Tüchern. Doch auch das hielt die Schaulustigen nicht ab. Im Gegenteil: Die Gaffer hätten versucht, über die Tücher hinweg zu filmen. Mehrere Polizisten hätten zusätzlich in den Einsatz gehen müssen, um die Schaulustigen zu vertreiben.“

Begehen Smartphone-Gaffer eine Straftat?

Vielleicht wäre das Engagement der Möchtegern-Sensationsreporter gedämpft worden, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass sie Gefahr laufen, durch dieses Verhalten eine Straftat zu begehen. In Betracht kommt hier § 201 a StGB, der erst kürzlich neu gefasst wurde. Demnach wird derjenige, der

„eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt“

mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft. Da § 201 a StGB noch nicht lange in Kraft getreten ist, gibt es bei der Anwendung noch erhebliche Unsicherheiten. „Smartphone-Gaffer“ haben aber mit Sicherheit gute Chancen hier einschlägige Rechtsprechung zu schaffen. Es gibt wohl kaum einen Sachverhalt, der geeigneter wäre diese Tatalternative zu erfüllen.

Strafbarkeit durch Sharing in sozialen Netzen?

Übrigens laufen auch Zeitgenossen, die solche Bilder / Videos in sozialen Netzwerken teilen, Gefahr sich strafbar zu machen. § 201 a Abs. 1 Nr. 3 StGB sieht vor, dass auch Personen, die eine unbefugte Bildaufnahme „nur“ unbefugt zugänglich machen, sich strafbar machen. Auch hier droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.

Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Unfallbilder

Neben strafrechtlichen Konsequenzen drohen auch zivilrechtliche Folgen. Bilder von Unfallopfern stellen in aller Regel eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild nach § 22 KUG dar. Nach § 22 KUG ist es grundsätzlich rechtswidrig ein Bildnis einer anderen Person zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stellen, wenn diese Person nicht eingewilligt hat. Etwaige Ausnahmen von dem Einwilligungserfordernis nach § 23 KUG kommen nicht in Betracht. Es ist im Übrigen ein Irrglauben, dass ein Bildnis im Sinne von § 22 KUG eine Erkennbarkeit des Gesichts voraussetzt. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die abgebildete Person durch andere Umstände für einen mehr oder weniger großen Bekanntenkreis erkennbar ist.

So hat z.B. das LG Essen – Urteil vom 10.07.2014 – Az: 4 O 157/14 – entschieden, dass ein Unfallopfer auch dann erkennbar ist, wenn auf dem Bild nur der Oberkörper sichtbar ist. Da aber auf dem Foto auch das Fahrzeug des Unfallopfers sowie das Kennzeichen abgebildet und in einem Begleittext auch das Alter des Unfallopfers angegeben war, ging das LG Essen davon aus, dass das Opfer für Bekannte identifizierbar war.

Eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild löst einen Unterlassungsanspruch aus und kann weiter einen Geldentschädigungs-/ Schmerzensgeldanspruch des Betroffenen begründen. Fotos von Unfallopfern stellen dabei eine massive Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Es ist davon auszugehen, dass Gerichte hier durchaus einen Betrag im vierstelligen oder gar fünfstelligen Eurobetrag zusprechen. Aufmerksamkeitsfetischisten sollten sich daher gut überlegen, ob sie für den nächsten „Internet-Hit“ nicht lieber gleich ein professionelles Katzenvideo produzieren lassen. Die Kosten sind wahrscheinlich geringer.

Sind Bilder von Rettungskräften oder Passanten erlaubt?

Das Vorangestellte gilt im Übrigen auch für Aufnahmen von Rettungskräften, Polizisten oder anderen Passanten. Auch hier gilt im Grundsatz, dass ein Bildnis dieser Personen nur dann verwendet werden darf, wenn diese eingewilligt haben.

Weitere rechtliche Konsequenzen für „Smartphone-Gaffer“

Die Darstellung umfasst nur einen Teilaspekt möglicher rechtlicher Konsequenzen für „Smartphone-Gaffer“. Je nachdem wie „energisch“ um die „beste“ Aufnahme gekämpft wird, bestehen gute Chancen auch weitere rechtswidrige Handlungen zu begehen. In Betracht kommen z.B. sogar strafrechtliche Delikte, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht sind. Dies insbesondere dann, wenn man Rettungskräfte massiv behindert. In diesem Fall kann § 114 Abs. 2 StGB zur Anwendung kommen, der vorsieht:

„Nach § 113 wird auch bestraft, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert oder sie dabei tätlich angreift.“

§ 113 StGB sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren und in besonders schweren Fällen von bis zu fünf Jahren vor.

Beschlagnahmung des Smartphones möglich

Übrigens droht den angehenden Paparazzi eine wohl subjektiv besonders ungenehme Folge sofort: Der Verlust des Smartphones und damit des Arbeitsmittels. Das Smartphone kann von der Polizei umgehend als mögliches Beweismittel für eine Straftat beschlagnahmt werden.

Helfen statt Filmen

An einem Unfallort angekommen gibt es nur ein moralisch und gesetzlich gebilligtes Verhalten: Zu prüfen, ob man den Beteiligten in irgendeiner Form helfen kann und/oder Rettungskräfte informieren sollte. Dies ist übrigens auch eine Pflicht und ein Unterlassen bietet gleich die nächste Chance auf eine Bekanntschaft mit Staatsanwaltschaft und Strafgerichten. Nach § 323 c StGB wird eine unterlassene Hilfeleistung mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft.

Ansonsten hat man den Unfallort zu verlassen. Ein Unfallgeschehen ist nämlich kein Reality-TV, sondern hier leiden Menschen und kämpfen im schlimmsten Fall um ihr Leben. Ein Mindestmaß an Emphatie sollte eigentlich reichen um zu erfassen, dass Aufnahmen von diesem Geschehen nicht für die eigene Sucht nach einem Aufmerksamkeitskick durch Likes verwendet werden darf.

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  • Kann sich eine Bloggerin/Freie Journalistin auf einen besonderen beruflichen Status berufen, wenn sie verpixelte Fotos von Unfallopfern und Zeugen auf ihre Website stellt und über twitter teilt und damit den Aussagen in Ihrem Text widersprechen? Gibt es einen Unterschied zwischen Unfallgaffern und (semi-)professionellen Fotojournalisten? Kann ich mich als Bloggerin/freie Journalistin auf einen besonderen Auftrag berufen?

    Hintergrund ist eine Debatte bei Twitter, über die ich auf Ihre Website aufmerksam gemacht wurde: Auf den Blogbildern eines freien Journalisten/Bloggers sind die Einsatzkräfte und der laut Text achtjährige Sohn des Unfallopfers, dessen Vorname zudem angegeben wird, trotz Verpixelung deutlich zu erkennen. Ein Hinweis verschiedener Twitternutzer auf den Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild hat der Fotograph mit Hinweis auf seinen Status als Journalist beiseite gewischt. Siehe

    https://twitter.com/BlaulichtN/status/1008431943434850305
    http://www.blaulicht-news.de/fahrradtour-endet-in-klinik-vater-vor-augen-des-kindes-von-auto-angefahren/2018/06/17/

    Ich hätte mich das, abgesehen von moralischen Bedenken, schon rechtlich nicht getraut, aber er scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein.

  • Ist 201a kein Antragsdelikt?!?

    Es darf nicht sein, dass der Staat, die Staatsanwaltschaft gegen meinen Willen aus Gründen der Staatsräson und Medien/Profilierungs-Geilheit des Staates (das gibt es ja auch) ein Strafverfahren führt. Mal abgesehen von den Fällen in denen die Person das evtl. will, darum bittet (evtl. ein „Influenzer“, der/die will, dass ein Video entsteht, für mehr Follower… egal wer es macht), hat mich der Staat, die Justiz da um Erlaubnis zu bitten. Auch wenn der Staat aufgrund des öffentlichen Interesse „ein Exempel statuieren“ will, NEIN bedeutet NEIN! Dann haben die keinen Prozess zu führen, und auch nicht hinterrücks einen Strafbefehl zu verschicken. Da würde Ich denen aber richtig Stress machen, und den Richter/Staatsanwalt öffentlich angreifen (medial). Sogar dazu aufrufen für den Täter zu spenden, am besten mehr als dieser an Strafe gezahlt hat? Warum? Ich will der Person damit nichts gutes tun, es ginge mir als Dissident nur ums Prinzip, dass die Strafe des Staates aufgehoben wurde, und sich evtl. sogar noch Menschen in der Justiz, Politik und im Volk ärgern dass der Verurteilte sogar noch was gewonnen hat…

    Da bin Ich Dissident genug, dass Ich auf der einen Seite den Filmer evtl. verachte, aber es mir wichtiger ist dem Staat gegenüber klarzustellen dass das MEINE Entscheidung ist! Noch ein Spruch neben „NEIN heißt NEIN“, MEIN Körper, MEINE Entscheidung“. Ich habe ja auch nichts von einem Prozess. Der Staat bekommt sein Geld (Gerichtskosten), und irgendein Verein (auch schon mal der Reitverein der in der die Tochter des Richters ist, oder ein von Richtern gegründeter Verein der Richter gegen Bezahlung Vorträge halten lässt, kein Witz das ist oder war die Realität) das Bußgeld. Das will ich noch weniger. Nein, Ich will nicht dass irgendwelche Krankenhausclowns etc. Profit aus einen Prozess mit mir als „Opfer“ ziehen, wenn Ich keinen Prozess will.

    Dass das filmen der Person in Hilflosigkeit selbst schon strafbar ist, naja. Ist nachvollziehbar. Allerdings könnte man die Strafbarkeit auch auf die Veröffentlichung und nach dem Strafantrag der Person beschränken. Wenn die Person nicht mehr klar denken kann, muss man das unterstellen, wenn nichts Anderes bekannt ist.

    Wenn man jemand ohne „Hilflosigkeit“ und ohne „höchstpersönlichen Bereich“ filmt, ist das auch nicht pauschal illegal oder strafbar, man darf es nur nicht ohne dessen Zustimmung veröffentlichen. Eine Verfremdung reicht aber aus, um die Zustimmung nicht mehr zu brauchen. Ironischerweise reicht es wohl, wenn die Person auch für Bekannte nicht mehr zu erkennen ist, aber man die Person einfach nennt. Ihren Namen etc.. Falls das nicht so ist, stellt man den Vorfall nach, und schreibt und sagt dass es der Person so passiert ist.

    Die Erwähnung eines Kennzeichen ist interessant. Denn einem Urteil zufolge darf man z.B. das KFZ-Kennzeichen anderer Menschen zusammen mit einer Story über das Verhalten im Straßenverkehr veröffentlichen. Aber auch Fotos des (z.B. falsch parkenden) Autos. Denn das Kennzeichen ist für die Richter nicht Personenbezogen genug. Wenn ich nun eine extra Webseite für Foreneinträge mit dem Kennzeichen und Titel als Titel eröffne, dann kann jeder das Kennzeichen googlen, und findet sofort alle Foreneinträge. Ist die Seite populär, googlet man evtl. gezielt das Kennzeichen des Nachbarn etc..

    Bilder von Rettungskräften und Polizei im Einsatz fallen unter „Zeitgeschichte“, und müssen daher nicht mal verfremdet werden, um es ohne Einwilligung zu veröffentlichen.

    „„Nach § 113 wird auch bestraft, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt behindert oder sie dabei tätlich angreift.““

    Das ist doch kein Gesetz, sondern nur eine Beschreibung dieses Gesetzes, oder? In dieser Form ist es zudem auch noch fragwürdig. Denn der Betroffene kann ja deutlich die Hilfe abgelehnt haben, und die Menschen versuchen seine Notwehr (der Betroffene darf auch den Tod der Rettungskräfte in Kauf nehmen) durch Nothilfe zu unterstützen. Versuchen also zu verhindern dass die Rettungskräfte die Person entführt und Körperverletzung (jede medizinische Hilfe gegen den Willen des Betroffenen) begehen können. Dabei ist es egal, ob die Person ohne die Hilfe sicher sterben würde. Ein Notarzt kann auch nicht einfach seinen Zauberspruch „unzurechnungsfähig“ aufsagen.

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