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Steuersünder am Onlinepranger – ein Vorbild auch für Deutschland?

Steuersünder am Onlinepranger – ein Vorbild auch für Deutschland?

Was die ineffiziente Finanzverwaltung nicht schafft, soll der öffentliche Druck des Onlineprangers erzwingen: Geld in den maroden griechischen Staatshaushalt bringen. Das Finanzmisterium in Athen hat daher am Sonntag eine „Liste der Schande“ mit Steuersündern im Internet veröffentlicht. Aufgeführt werden über 4.000 Griechen, die beim Staat mit Steuerschulden in Höhe von 15 Milliarden Euro in der Kreide stehen.

Liste der Schande auch in Deutschland?

Schon wird eifrig spekuliert: Taugt diese Modell als Vorbild auch für Deutschland? Geht´s nach den Lesern von Spiegel Online ist der Antwort klar. Über 84 % (Stand: 16.37 Uhr) der Teilnehmer an einer Umfrage sprechen sich für einen Onlinepranger auch für deutsche Steuersünder aus.

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Steuerliste durch Finanzverwaltung

Die namentliche Veröffentlichung als Steuersünder ist ohne Frage ein erheblicher Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.

Eine solche offizielle Liste des Finanzministeriums als hoheitlicher Akt wäre nur zulässig aufgrund einer speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Die müsste erst einmal geschaffen werden. Zudem müsste gefragt werden, zu welchem Zweck die Veröffentlichung erfolgt und ob die Veröffentlichung zur Erreichung des Zwecks angemessen ist und das mildeste Mittel darstellt.

Im Fall Griechenland müsste man fragen, warum der Staat nicht einfach die Steuern eintreibt und entsprechend hoheitlich mit Zwangsmaßnahmen gegen die Steuersünder vorgeht. Dass der Staat sich gezwungen sieht eine Liste zu veröffentlichen, sagt ja, dass er bereits kapituliert hat. Vielleicht wäre es sinnvoller, eine Liste der Mitarbeiter der Finanzverwaltung zu veröffentlichen.

Steuerliste durch Presseveröffentlichung

Anders sieht´s für eine etwaige Veröffentlichung durch die Presse aus. Zwar gelten die Grundrechte auch hier. Allerdings sind nicht nur die Grundrechte der Betroffenen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ), sondern auch die grundrechtlich geschützten Interessen der Presse und der Öffentlichkeit (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK) zu berücksichtigen. Diese müsste man miteinander abwägen und in Einklang bringen. Denn, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 114, 339, 348) sagt, liegt

… wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts … seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.

Abwägung: Persönlichkeitsrecht vs. Informationsinteresse

Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist jedenfalls nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH 01.02.2011 – VI ZR 345/09). Zu welchem Ergebnis letztlich ein Gericht käme ist unklar, da es immer einer Einzelfallentscheidung bedarf.

Gegen eine Veröffentlichung spricht: Ein öffentlicher Pranger bewirkt natürlich eine öffentliche Stigmatisierung (und soll sie auch gerade bewirken). Dies wird von den Gerichten immer kritisch beurteilt, da ein solcher Pranger „Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung“ werden kann (so etwa: BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 17).

Für eine Veröffentlichung spricht dagegen: Ohne Steuern kann ein Staat als solcher nicht funktionieren. Wer sein Geld lieber ins Ausland bringt bzw. Steuern einfach nicht zahlt (wie im Falle Griechenlands) sorgt letztlich dafür, dass der Staat zentrale Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann oder allgemeine Steuern (wie etwa Umsatzsteuer) steigern muss. Je mehr die Betroffenen Personen des öffentlichen Lebens sind und ohnehin in der Öffentlichkeit stehen, desto stärker ist das Interesse der Allgemeinheit. Die Personen dienen als Vorbild für die Gesellschaft – auch wenn sie es nicht wollen – und profitieren von ihrer Bekanntheit.

Besonderheit bei Straftaten

Zudem geht es bei Veröffentlichung von solchen Listen letztlich immer um einen Bericht über eine Straftat. Hierzu sagt der BGH, dass bei einer Berichterstattung über eine Straftat zu berücksichtigen ist,

dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter.

Demnach spricht daher viel dafür, die Berichterstattung über Steuersünder auch nach deutschem Recht für zulässig zu halten. Denn, so der BGH,

Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang.

Ergebnis

Zwar erging die Rechtsprechung zu erheblichen Straftaten und Kapitalverbrechen. Schulden die genannten Steuersünder dem Staat aber wie im Falle Griechenlands 15 Mrd., mithin fast 10% des Staatshaushalts, besteht ein berechtigtes Interesse der Bürger, wer auf solch einer Liste steht.

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