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Urteil: Polizei übermittelt Daten illegal an den Verfassungsschutz

Urteil: Polizei übermittelt Daten illegal an den Verfassungsschutz

Wie der Norddeutsche Rundfunk berichtet, wurden von IG-Metall-Sekretär Lennard Aldag rechtswidrig Informationen gesammelt und sogar dem Verfassungsschutz wegen des Verdachts auf Linksextremismus mitgeteilt. Aldag setzte sich im Rahmen seiner Gewerkschafstätigkeit gegen Rechtsextremismus ein. Eine Gerichtsentscheidung schafft Klarheit.

Berufliche Aufgaben führten zu Verdachtsfall Linksextremismus

Lennard Aldag war von 2008 bis 2012 Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Zu seinen beruflichen Aufgaben gehörte unter anderem das Engagement für Demokratie und gegen Rechtsextremismus. Seine Teilnahme an entsprechenden Kundgebungen und Aktionstagen führte offenbar dazu, dass Aldag sich bei der Polizei Lüneburg als Linksextremist verdächtig machte. Die Polizei hatte es sogar für nötig gehalten, den Verfassungsschutz zu informieren.

„Das ist skandalös, weil ich war da ja nicht als Privatperson auf diesen Versammlungen, ich habe da auch nicht als Privatperson geredet, sondern in der Zeit bis 2012 als Regionsgeschäftsführer des DGB, danach als IG-Metall Sekretär“,

so Aldag in einem Interview des Norddeutschen Rundfunks.

Weitreichende Datensammlung über gewerkschaftliche Aktivitäten

Darüber hinaus erfasste die Polizei Gewerkschaftstätigkeiten, bei denen beispielsweise über die Frage der Tarifbindung von Unternehmen diskutiert wurde. Im Zuge dessen wurde die Teilnahme Aldags an Informationsveranstaltungen und Demonstrationen, wie zum Thema „Gemeinsam für ein gutes Leben“, durch die Polizei erfasst. Zusammen mit Angaben über seine Adresse, sein Geburtsdatum und die Mobilfunknummer wurden die Informationen an den Verfassungsschutz übertragen.

Recht auf Auskunft

Im Zuge dessen stellte Herr Aldag ein Auskunftsersuchen beim Verfassungsschutz, um darüber aufgeklärt zu werden, welche personenbezogenen Daten gesammelt wurden. Nach fast 10 Monaten kam ein Schreiben in dem aufgeführt wurde, welche Daten vorliegen. Weitere Datensätze sollen vorhanden gewesen sein, über die der Verfassungsschutz aber keine Auskunft erteilen wollte.

Auch nach der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht dem Betroffenen ein Auskunftsrecht gem. Art. 15 DSGVO zu. Die verantwortliche Stelle muss Auskunft darüber geben, ob personenbezogenen Daten vorliegen und wenn ja, um welche Daten es sich handelt. Darüber hinaus besteht ein Auskunftsrecht über

  1. die Verarbeitungszwecke;
  2. die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
  3. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
  4. falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
  5. das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
  6. das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
  7. wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;
  8. das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Absätze 1 und 4 DSGVO und – zumindest in diesen Fällen – aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

Rechtswidrigkeit der Datenerhebung

Das Verwaltungsgericht Lüneburg zeigte der Polizeidirektion Grenzen bei der Speicherung und Weitergabe von Gewerkschaftsaktivitäten auf.

Nach Klageeinreichung durch Herrn Aldag wurde nun entschieden (AZ.: 1A334/15), dass die Datenerhebung durch die Polizei rechtswidrig war. Die Polizeibehörde, habe für diesen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Versammlungsrecht keinerlei Rechtsgrundlage gehabt. Auch der Verfassungsschutz räumte darauf hin Fehler bei der Bearbeitung ein. Alle Daten seien nun gelöscht worden.

Aldags Anwalt äußerte generelle Bedenken im Umgang mit Gewerkschaftern. Die Polizei überschreite Ihre Kompetenz, wenn sie Informationen zur Anmeldung gewerkschaftlicher Kundgebungen und Demonstrationen sammle.

Rechte im Datenschutz kennen und ausüben

Wie man an diesem Beispiel gut sieht, kann es sich auszahlen, wenn man seine Rechte im Datenschutz kennt. Welche weiteren Ansprüche dem Betroffenen zustehen, ist in den Art. 12-23 DSGVO festgehalten. In diesem Artikel findet man zusätzliche Informationen rund um den Auskunftsanspruch.

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  • Hallo zusammen,

    als ich den erste Abschnitt las, hatte ich den Gedanken, dass jetzt so gar die Gewerkschaften mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten; siehe Textauschnitt:
    „wurden von IG-Metall-Sekretär Lennard Aldag rechtswidrig Informationen gesammelt“
    Danach klärte sich das „von“ aber in ein „über“ auf.

    Ich kann der Rechtssprechung nur folgen und jedem Betroffenen bei ersten Verdachtsmomenten der illegalen Datenerhebung und -speicherung von dem Auskunftsanspruch gebrauch zu machen.

  • Die DSGVO gilt nicht für Behörden. Dafür gibt es eine eigene EU-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt werden muss.

  • @Judith: Grundsätzlich gilt die DSGVO auch für Behörden. Lediglich Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO macht eine Ausnahme für „Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.“

  • interessant auch folgender Link zu einer kleinen Anfrage im Bundestag http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP18/838/83856.html

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