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Vorratsdatenspeicherung: Verdächtig! – Wie lange reicht der Vorrat?

Vorratsdatenspeicherung: Verdächtig! – Wie lange reicht der Vorrat?

Erneut hat die Festnahme dreier Terrorverdächtiger in Nordrhein-Westfalen Ende der vergangenen Woche die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung angefacht. In der politischen Diskussion wird der Begriff Vorratsdatenspeicherung inzwischen als Synonym für die Speicherung von Telekommunikationsdaten für Strafverfolgungszwecke verwendet.

Anlasslose Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat

Wer hat wann, mit wem und wo telefoniert, Internetseiten besucht oder Kontakt per E-Mail? Ein Teil der Koalition will diese Telekommunikationsdaten speichern. Damit werden alle Bürger verdächtigt. Die anlasslose Speicherung der Nutzerdaten soll Terroraktionen vorbeugen, obwohl es keinerlei Beleg für deren Wirksamkeit gibt.

Grob fahrlässiger Umgang mit Vorratsdaten

Die der diskutierten Vorratsdatenspeicherung zugrunde liegende EU-Richtlinie  2006/24/EG unterliegt selbst aus Sicht der EU-Kommission eklatanten Mängeln, die zur Folge haben, dass die Mitgliedstaaten die Vorschriften weder ausreichend umgesetzt haben noch die Regeln in der Richtlinie selbst den Anforderungen genügen.

Verstoß gegen Europäische Grundrechtscharta

Nach dem nunmehr veröffentlichten Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages  vom 25.02.2011 bestehen zudem erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit der Europäischen Grundrechtscharta, insbesondere im Hinblick auf das Übermaßverbot.  Wörtlich heißt es im Bundestagsgutachten:

„Die somit durch die Vorratsdatenspeicherung bislang nur marginal um 0,006 % verbesserte Aufklärungsquote könnte daran zweifeln lassen, ob die Regelung in ihrer konkreten Ausgestaltung einer Überprüfung auf ihre Angemessenheit hin standhalten kann. Zweck und Mittel stehen hier zumindest nicht in einem ausgewogenen Verhältnis.“

Trotzdem: Brüssel droht mit Verfahren

Trotz dessen, dass den in der Richtlinie enthaltenen Regelungen gravierende Mängel anhaften, will die EU –Kommission nach einem Bericht von Zeit Online nicht davon lassen, Telekommunikationsunternehmen dazu anzuhalten, Nutzerdaten weiterhin zu speichern. Die EU-Kommission verlangt von der Bundesregierung „schnellstmöglich“ ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und droht laut Spiegel Online andernfalls mit einem Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrages.

Demgegenüber will die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zunächst die Überarbeitung der EU-Richtlinie abwarten, bevor auf nationaler Ebene über neue Regelungen diskutiert wird.

Aktiv gegen Vorratsdatenspeicherung

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) hat in diesem Zusammenhang eine Aktion gestartet, mit der alle Bürger einen Appell zum Schutz ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung an den Bundesinnenminister und die Bundesjustizministerin richten können. Gleichzeitig gibt es eine ePetition beim Deutschen Bundestag, die folgendes fordert:

„Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die Vorratsdatenspeicherung bleibt mindestens so lange ausgesetzt, bis die EU-Kommission eine neue Richtlinie zur EU-weiten Vorgehensweise verabschiedet hat.“

Vorratsdatenspeicherung in Österreich beschlossene Sache

Während die regierende Koalition in Deutschland zudem weiterhin darüber streitet, welche Daten gespeichert werden sollen  und welche nicht, hat Österreich nun die Vorratsdatenspeicherung beschlossen, sich allerdings die Übernahme etwaiger Entschärfungen der Richtlinie durch die EU  in die österreichische Rechtsordnung bereits vorbehalten.

(Kein) Nutzen der Vorratsdatenspeicherung

Unabhängig von der Unvereinbarkeit der EU-Vorratsdatenrichtlinie mit der Europäischen Grundrechtscharta ist nach dem Ergebnis  einer Untersuchung des AK Vorrat basierend auf der deutschen Polizeilichen Kriminalstatistik eine Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten bei der Verfolgung schwerer Straftaten ohnehin kaum von Nutzen. Laut dem AK Vorrat hat die Vorratsdatenspeicherung solange sie in Kraft war, die Aufklärung schwerer Straftaten nicht verbessert.

Im Gegenteil: Die Untersuchung offenbarte, dass die Polizei in der Zeit der Vorratsdatenspeicherung zwar mehr schwere Straftaten einschließlich Internetstraftaten als zuvor registrierte, aber seltener aufklären konnte als vor Beginn der anlasslosen Kommunikationsprotokollierung.

Diese kontraproduktive Wirkung der Vorratsdatenspeicherung sei – so der AK Vorrat – auf die Verhaltensanpassung zurückzuführen. Um der ausufernden Erfassung sensibler Kommunikationsdaten zu entgehen, würde unter Geltung einer Vorratsdatenspeicherung verstärkt auf öffentlich zugängliche Kommunikationswege wie Internetcafés, öffentliche WLAN-Zugänge etc. ausgewichen, was der Verfolgung von Straftaten weniger zu- als abträglich sei.

Du bist Terrorist

Wie schließlich auch der Evaluationsbericht der  Kommission belegt,  macht die EU-Vorratsdatenrichtlinie sämtliche EU-Bürger zu Verdächtigen. Ob und wie die seitens der Kommission angekündigte Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung erfolgt und welche Folgen dies für die Regelungen in den Mitgliedstaaten haben wird, bleibt abzuwarten.

Bis dahin gilt:

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