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Whistleblower-Schutzgesetz: Ein kurzer Einblick

Whistleblower-Schutzgesetz: Ein kurzer Einblick

Am 04.11.2014 hat die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN einen Gesetzesentwurf zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) in den Bundestag eingebracht. Wir haben uns den Entwurf einmal angesehen.

Auswirkungen

Der Gesetzesentwurf befasst sich mit verschiedenen Gesetzesänderungen. So sollen sich die Änderungen auf das

  • Bürgerliche Gesetzbuch,
  • Berufsbildungsgesetz,
  • Bundesbeamtengesetz und
  • Beamtenstatusgesetz

auswirken. Konkret sollen Voraussetzungen geschaffen werden unter, denen sich ein“ Hinweisgeber“ (Whistleblower) an eine außerbetriebliche/dienstliche Stelle/Behörde bzw. direkt an die Öffentlichkeit wenden darf.

Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist es, Whistleblowern ausreichend Schutz zu gewähren, wenn sie auf Missstände im Unternehmen hinweisen möchten. So heißt es in dem Gesetzesentwurf

„Derzeit drohen Whistleblowern neben Mobbing häufig auch Arbeits-und dienstrechtliche Folgen bis hin zur Kündigung sowie strafrechtliche Konsequenzen. Hierdurch entsteht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Gewissenskonflikt: Sie müssen entscheiden, ob sie über Missstände sprechen oder lieber schweigen.“

Anzeigerecht

Der folgende Beitrag befasst sich mit der Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Dies dürfte einen Großteil der privatwirtschaftlichen Unternehmen betreffen. Neben einer Beweislastumkehr in § 612a Abs. 2 BGB n.F. soll ein neuer § 612b BGB n.F. unter der Überschrift „Anzeigerecht“ eingefügt werden, der hier behandelt wird.

Vorrang der unternehmensinternen Anzeige (1.Stufe)

§ 612b Abs. 1 BGB n.F.:

„Ist ein Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit rechtliche Pflichten verletzt werden oder eine solche Verletzung droht und hat er sich entschlossen, hierauf hinzuweisen, hat er sich zuerst an den Arbeitgeber oder eine zur innerbetrieblichen Klärung zuständigen Stelle zu wenden.“

Damit wird klargestellt, dass sich der Arbeitnehmer grundsätzlich zunächst an den Arbeitgeber wenden solle, um so zu versuchen innerbetrieblich Abhilfe zu schaffen, bevor er eine externe Stelle kontaktiert. Dabei soll er die Wahl zwischen einer internen zuständigen Stelle oder dem Arbeitgeber haben. Als interne Stellen kommt hier vor allem der Betriebsrat in Betracht.

Es kann jedoch auch eine Einrichtung sein, welche die Abgabe des Hinweises unter Wahrung der Anonymität des Hinweisgebers gewährleistet. Dies kann zum Beispiel der Datenschutzbeauftragte oder auch eine von dem Unternehmen zur Entgegennahme und anonymer Weiterleitung derartiger Hinweise befugte und beauftragte Anwaltskanzlei sein.

Auch wenn eine externe Anwaltskanzlei oder externer betrieblicher Datenschutzbeauftragter faktisch keine interne Stelle darstellt, werden sie nach der Gesetzesbegründung als interne zuständige Stelle behandelt, weil sie besonderen Geheimhaltungsvorschriften unterliegen, vgl. § 203 StGB.

Anzeige an eine zuständige außerbetriebliche Stelle (2. Stufe)

§ 612b Abs. 2 BGB n.F.:

„Der Arbeitnehmer hat das Recht, sich an eine zuständige außerbetriebliche Stelle zu wenden, wenn eine innerbetriebliche Stelle nach Abs. 1 nicht besteht oder der Arbeitgeber dem Verlangen nach Abhilfe nicht binnen angemessener Frist oder nach Auffassung des Arbeitnehmers aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht oder nicht ausreichend nachkommt. Eines vorherigen Abhilfeverlangens bedarf es nicht, wenn dies dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist.“

Satz 1 dieser Regelung stellt zunächst klar, dass es vor dem Kontakt zu einer außerbetrieblichen Stelle stets eines internen Abhilfeverlangens bedarf. Abs. 1 und Abs. 2 stehen damit in einem Stufenverhältnis.

Ausnahme des vorherigen Abhilfeverlangens

Eine Ausnahme hiervon besteht dann, wenn ein vorheriges Verlangen nach Abhilfe bei dem Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist. Der Gesetzesentwurf  konkretisiert unter welchen Voraussetzungen diese Unzumutbarkeit vorliegt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es sich um erhebliche rechtliche Verstöße handeln muss, die u.a. eine gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems oder die Umwelt begründen. Alternativ besteht eine Außnahme auch dann, wenn erhebliche Straftaten im Sinne des § 138 StGB begangen worden sind oder solche drohen.

Anzeige an die Öffentlichkeit (3. Stufe)

§ 612b Abs. 3 BGB n.F.

„Der Arbeitnehmer hat das Recht, sich unmittelbar an die Öffentlichkeit zu wenden wenn das öffentliche Interesse am Bekanntwerden der Information das betriebliche Interesse an deren Geheimhaltung erheblich überwiegt. Ein solches überwiegendes öffentliches Interesse ist insbesondere gegeben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte annimmt, dass im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit, das Persönlichkeitsrecht, die Freiheit der Person, die Stabilität des Finanzsystems, die Umwelt oder die Begehung von erheblichen Straftaten droht.“

Dies dürfte letztlich der Fall sein, der allgemein unter dem Begriff „Whistleblowing“ nach Wikileaks und Edward Snowden verstanden wird. Nach der Gesetzesbegründung sind hier Fälle denkbar, wie ein gravierender Störfall in einem Atomkraftwerk oder ein Lebensmittelskandal. Hier wird ein besonderes öffentliches Informationsinteresse der Bevölkerung angenommen, das einen unmittelbaren Kontakt  zur Öffentlichkeit ohne vorherigem Abhilfeverlangen rechtfertigt.

Zugleich wird jedoch klargestellt, dass dies nur in eng begrenzten Fällen geschehen darf, da durch derartige Meldungen betriebliche Interessen des Arbeitgebers besonders stark gefährdet werden können.

Unter den Begriff der Öffentlichkeit fallen Print und elektronische Medien ebenso wie Veröffentlichungen im Internet und die traditionellen Formen der Informationsweitergabe, vom Flugblatt bis zur Versammlungsrede.

Kein Kündigungsgrund bei Whistleblowing?

Sämtliche Regelungen des Gesetzesentwurfes setzen jeweils voraus, dass der Arbeitnehmer seine Behauptungen auf „konkrete Anhaltspunkte“ stützen muss. Dabei ist auf den subjektiven Beurteilungshorizont aus Sicht des Arbeitnehmers abzustellen. Leichtfertige oder gar wissentlich unwahre Anzeigen sind von der Schutzvorschrift nicht erfasst. Der Schutz soll sich nach dem Gesetzesentwurf jedoch auch auf falsche Rückschlüsse aus konkreten Anhaltspunkten für Missstände erstrecken.

Die verwendete Formulierung „aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung“ entspricht hierbei derjenigen aus dem Anzeigerecht in § 17 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

Durch die Überschrift des neuen § 612b BGB n.F. „Anzeigerecht“ soll eine rechtliche Zulässigkeit des Handelns normiert werden. Die Kontaktierung einer internen Stelle darf damit nicht Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung, Abmahnung oder andere nachteilige Maßnahme sein. Dies dürfte auch für die Kontaktierung einer außerbetrieblichen Stelle oder der Presse gelten.

Fazit

Der Gesetzesentwurf enthält eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen, die, sollte das Gesetz so inkrafttreten, sicher einer Ausformung durch die Rechtsprechung bedürfen. Dennoch halten wir den Ansatz eines solchen Gesetzes für richtig und erforderlich. Zwar existieren derzeit verschiedene Regelungen die einen ähnlichen Zweck verfolgen. Auch gibt es hierzu entsprechende Rechtsprechung. Dennoch sollten die Rechte für die Bürger klar und verständlich abrufbar sein. Dieser Gesetzesentwurf ist ein erster Schritt. Bei aller Kritik sollte zudem berücksichtigt werden, dass es sich um einen Entwurf handelt.

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  • Der Entwurf geht leider nicht weit genug über die bisherige Rechtsprechung des BAG hinaus. Er zementiert vielmehr das Recht des Arbeitgebers, von seinen Arbeitnehmern nicht angezeigt zu werden. Das für jedermann geltende Bürgerrecht auf Mitteilung von Straftaten an die Behörden wird dabei ausgehölt. Insoweit ist der Entwurf genauso verfassungswidrig wie die bisherige Rechtsprechung des BAG.

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