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Wie Verbündete sich gegenseitig ausspionieren

Wie Verbündete sich gegenseitig ausspionieren

Bereits im Jahr 2001 kam der Echelon-Ausschuss des Europäischen Parlaments in seinem Bericht vom 11. Juli 2001 über die Existenz eines globalen Abhörsystems für private und wirtschaftliche Kommunikation zu dem Ergebnis, dass die Nachrichtendienste der USA nicht nur allgemeine wirtschaftliche Sachverhalte aufklären, sondern Kommunikation von Unternehmen gerade bei Auftragsvergabe auch im Detail abhören und dies mit der Bekämpfung von Bestechungsversuchen begründen.

Der Ausschuss verdeutlichte in seinem Bericht aus 2001 weiterhin,

dass jedes Abhören von Kommunikation einen tief greifenden Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen darstellt; dass Artikel 8 EMRK, der die Privatsphäre schützt, Eingriffe nur zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit zulässt, sofern die Regelungen im innerstaatlichen Recht niedergelegt und allgemein zugänglich sind und festlegen, unter welchen Umständen und Bedingungen die Staatsgewalt sie vornehmen darf; dass Eingriffe darüber hinaus verhältnismäßig sein müssen, daher eine Interessenabwägung vorgenommen werden muss und nach der Rechtsprechung des EGMR ein reines „Nützlich- oder Wünschenswertsein“ nicht genügt

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Über ein Jahrzehnt später – das Überwachungsausmaß hat sich erwartungsgemäß den technischen Möglichkeiten entsprechend entwickelt – behauptet die Bundesregierung das alles sei unbekannt und das Internet im Übrigen ja Neuland.

Auch die Opposition aus SPD und Grünen, immerhin von 1998 bis 2005 also zum Zeitpunkt des o.g. Berichts unter Kanzler Gerhard Schröder selbst an der Macht, unternahm nichts um die Bespitzelungsaktivitäten zu verhindern. Die damalige SPD-Regierung intensivierte im Gegenteil sogar die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA auf Basis eines Memorandum of Agreement vom 28. April 2002.

Nach der verlorenen Wahl ist daher von der zuvor gespielten Empörung naturgemäß nicht mehr viel übrig. Tatsächlich verhalten sich die großen Parteien nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Aber wenigstens hierin sind sich alle einig.

Privatssphäre – Quo vadis?

Bedenkt man, dass an der weltweiten Datenschnüffelei auch Dienste von EU-Mitgliedsländern, namentlich der britische GCHQ massiv beteiligt sind, so wirkt die Idee der geplanten EU-Datenschutz – Grundverordung fast ein wenig absurd. Bereits jetzt sollte das Datenschutzniveau der EU-Länder untereinander aufgrund der EU-Datenschutzrichtlinie weitestgehend einheitlich und anlasslose bzw. unverhältnismäßige Überwachungen daher grenzübergreifend unzulässig sein.

Die Befürchtung dahinter ist, dass die Datenschutz – Grundverordnung letztlich zu einem Papiertiger verkommt, wenn noch nicht einmal die Mitgliedsstaaten und deren staatliche Institutionen bereit sind, die Privatssphäre der EU-Bürger tatsächlich ernst zu nehmen.

Gerade im Verhältnis zu den Unternehmen besteht hier ein erhebliches Glaubwürdigkeitsdefizit, da auf Unternehmensseite die Sanktionen durch die Verordnung erheblich verschärft werden, während Verstöße auf staatlicher Seite schon jetzt für die Beteiligten folgenlos bleiben.

Wirtschaftspionage

Nicht zu vergessen ist neben der Privatssphäre zudem auch das Thema Wirtschaftsspionage. Das zeigte schon das Beispiel Enercon zu Zeiten des Echelon-Projektes. Aktuell berichtet beispielsweise SPIEGEL-ONLINE über entsprechende Aktivitäten der NSA und Kanadas gegenüber Brasilien.

Aber auch innerhalb der EU scheint diesbezüglich jeder jeden zu belauschen. Frankreich war und ist bestens bekannt für seine Tätigkeiten im Bereich Wirtschaftsspionage. Wie der FOCUS berichtet, soll der französische Auslandsgeheimdienst seine Ergebnisse beispielsweise direkt an Großunternehmen wie Renault weitergeben, was zugegebenermaßen allerdings Zweifel an der Effektivität weckt, wenn man sich die Autos von Renault so anschaut, immerhin das z.T. grausam anmutende Design ihrer Autos haben die Franzosen selbst zu verantworten.

Aber auch der britische Geheimdienst hat bereits ein belgisches Telekommunikationsunternehmen attackiert. Da wundert es auch nicht, dass die Briten rund 600 Millionen Euro für den Aufbau einer Cyber-Armee investieren und die Zahl der Cyber-Krieger von jetzt 900 auf 4900 aufrüsten. Aber zum Glück sind das ja unsere Verbündeten und Deutschland, welches im wirtschaftlichen Vergleich relativ gut dasteht, wird mit seinen sog. Hidden-Champions bestimmt kein lohnendes Angriffsziel sein.

Und in Deutschland?

Die Politik hierzulande hat sich insgesamt nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Weder ist es ihr gelungen die Privatsphäre seiner Bürger noch das Know-How seiner Unternehmer ausreichend zu schützen.

Die Bundeswehr hat immerhin eine „Anfangsbefähigung“ für Attacken in „gegnerischen Netzen“ erreicht und das Cyberabwehrzentrum ist mit 10 Personen ausgesprochen überraschend „personalstark“ besetzt. An elektronische Wirtschaftsspionage in fremden Ländern ist aus deutscher Sicht ohnehin gar nicht zu denken, da dies im G-10 Gesetz so nicht vorgesehen ist. Der Verfassungsschutz zeigte jedoch einen erstaunlich spektakulären Einsatz bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und überflog das Frankfurter US-Konsulat im Tiefflug – eine Geste, welche die NSA aufgrund ihrer Folgenlosigkeit mit Sicherheit nachhaltig beeindruckt haben dürfte.

Sowohl defensiv als auch offensiv läuft es aus Sicht der Wirtschaftsspionage anscheinend eher suboptimal. Leider war dies auch seit geraumer Zeit (der o.g. Bericht stammt aus 2001) vorauszusehen und es ist trotzdem nichts passiert. Da das Internet für uns Deutsche aber ohnehin Neuland ist, ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich hieran in nächster Zeit etwas ändern wird. Stattdessen halten wir gerne auch noch die andere Wange hin und akzeptieren das Ausspionieren unserer Bürger und Unternehmen, was einem neutralen Beobachter allerdings freundlich ausgedrückt geistig irgendwie ein wenig gehandicapt vorkommen muss.

Fazit:

Es ist Zeit sich endlich auch politisch ernsthafte Gedanken um Konsequenzen in Bezug auf Wirtschaftsspionage zu machen, seien diese nun aus virtueller Sicht offenisv, defensiv oder gar beides. In jedem Fall ist es aber an der Zeit die Privatsphäre der Bürger endlich zumindest innerhalb der EU zu schützen.

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    Ihr Artikel enthält sehr viele ironische Spitzen. Ich kann Sie gut verstehen. Ohne Sarkusmus würde man sonst wohl verrückt werden angesichts des organisierten Irrsinns allerorten.

    Ich möchte zwei kleine Anmerkungen loswerden.

    1. Die Bundesrepublik Deutschland ist faktisch nicht souverän. Deshalb wollen und können die deutschen Regierungen und Parlamente sowie die deutsche Justiz die deutschen Bürger nicht vor Überwachung und Spionage fremder Mächte schützen.

    2. Es herrscht Krieg. Diesmal ist es der elektronsiche Krieg im Verborgenen. Gerade die aggressive Spionagetätigkeit seitens der Briten und Franzosen gegenüber Deutschland zeigt, dass die jahrhundertealten Rivalitäten und Ressentiments zwischen den großen europäischen Nationen durch das Zweckbündnis namens EU nur notdürftig kaschiert werden.

    Die derzeitige Politik der BRD gegenüber den europäischen „Freunden“ beruht allein auf der noch relativen wirtschaftlichen Stärke der BRD. Wenn die Grundlagen unserer Wirtschaftskraft, z.B. technologische Vorsprünge, durch fremde Mächte widerstandslos abgeschöpft werden können, grenzt die Untätigkeit der deutschen Staatsorgane an Landesverrat.

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